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Mountainbike Tour Italien-Frankreich vom 13.07.19 - 18.07.19

    Tag1 (Col d'Albanne, Col de Rochilles)

    Tag2 (Col de Dormillouse, Col de la Lauze)

    Tag3 (Col de Granon)

    Tag4 (Col du Gondran, Col de Gimont, Sestriere)

    Tag5 (Assietta Kammstraße, Colle delle Finestre, Novalesa)

    Tag6 (Col du Mont Cenis, Fort de Pattacreuse)


1. Tag (Col d'Albanne, Col de Rochilles)


Nachdem ich im letzten Jahr mit meinem alten Crossbike die alten Militärstraßen im Piemont unter die Räder genommen hatte, war meine Sehnsucht geweckt. Die Einsamkeit der Touren und durch den Verzicht auf Asphalt reichlich neue Möglichkeiten ließen mich bereits im Herbst ein Mountainbike kaufen und der Plan für 2019 war klar. Diesmal sollte es mit dem Mountainbike in die Alpen. Fixpunkt bzw. die erste Etappe sollte über den Col de Rochilles am Galibier führen. Schon dreimal war ich mit dem Rennrad am Plan Lachat vorbeigefahren und sah den Schotteranstieg wie er sich scheinbar ins Nichts zog und jedes Mal dachte ich mir: "Verdammt, da will ich mal hoch". Nach ein wenig Recherche war klar, mit dem Mountainbike ist das mehr oder weniger machbar. Also fing ich an zu planen und gleichzeitig an meiner Fahrtechnik zu feilen. Wenn man mit Mitte Vierzig mit dem Mountainbiken anfängt, läuft das nicht wirklich wie von selbst. Aber ich kam voran und meisterte langsam auch schwerere Passagen. Auch wenn ich mich teilweise wöchentlich auf die Schnauze legte. Mindestens genau so langsam kam ich jedoch mit der Planung der Tour voran. Mit dem Rennrad eine Transalp zu planen ist ein Klacks. Wo ein Weg bzw. in dem Fall eine Straße ist, zeigt dir jede Karte. Aber mit dem Mountainbike? Ich studierte stundenlang topographische Karten und Satellitenbilder. Berichte zu den einzelnen Passagen waren schwer zu finden. Das Zielgebiet Westalpen ist eben im Gegensatz zu Oberstorf-Gardasee noch kein Mountainbike- Mekka. Und wenn dann mal Infos zu finden waren, wusste man nicht wie man sie einzuschätzen hatte. Da reichen Hinweise eben auch mal von komplett fahrbar bis fast alles gelaufen. Außerdem kann schon ein einziger Winter die Beschaffenheit eines Weges komplett ändern, so dass mehrere Jahre alte Berichte sowieso mit Vorsicht zu genießen sind. Letztlich wurde es eine Tour im Zick Zack rund um Briancon. Das hatte zumindest den Vorteil, dass ich mich nie wirklich weit weg von meinem Auto befand und so im Falle eines Abbruches schnell wieder am Startort wäre.


Auch an meiner Packliste musste ich noch einmal ein wenig feilen, da ich auf die etwas größere, an der Sattelstütze befestigte Tasche verzichten wollte. Also wurde noch einmal ordentlich zusammengestrichen, so dass ich mit einer kleinen Tasche am Sattel, einer Lenkertasche und mit einem 4,5 kg schweren Rucksack ausgerüstet war. Als Parkplatz wählte ich den Sportplatz von Villargondran. Doch schon die Anfahrt war eine halbe Katastrophe. Da ich wie immer schon am Anfahrtstag die erste Etappe fahren wollte, fuhr ich schon am Vorabend zu meiner Schwester nach Freiburg. Dummerweise stand ich dort fast 2 Stunden im Stau, so dass ich erst um kurz vor 24:00 Uhr ins Bett kam. Entsprechend kurz war die Nacht, denn um 4:30 Uhr klingelte der Wecker. Wenigstens verlief ab da die Fahrt problemlos und so kam ich um 9:30 Uhr an, packte meine spartanische Ausrüstung zusammen und startete das Abenteuer Mountainbike Alpencross.

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Mein Gefährt für die nächsten sieben Tage, das Cube Reaction SL.

Nach 2 km einrollen ging es direkt relativ steil los. Viele Serpentinen waren zu überwinden. Das Wetter war sonnig und warm aber nicht zu heiß. Auch der Straßenbelag war akzeptabel. So fühlte ich mich sofort wohl. Anfangs fuhr ich noch viel in der Sonne, später auch ab und zu im Schatten der Bäume. Im Gegensatz zum Col de Telegraph, der meine Alternative dargestellt hätte, falls ich es nicht pünktlich nach Villargondran geschafft hätte, war hier kaum Verkehr. Ich kam natürlich noch gut voran, obwohl der Anstieg zu Beginn recht unrhythmisch zu fahren war und ich die kurze Nacht und die lange Autofahrt in den Beinen hatte. Nach dem ich den Abzweig Les Karelis erreicht hatte, wurde es zumindest gefühlt etwas flacher, der Verkehr war ab hier quasi nicht mehr vorhanden. Der Aufstieg zog sich jetzt relativ gleichmäßig nach oben. Bis zum Dörfchen Albanne waren es am Ende gerade Mal fünf Autos die mich überholten. Da die Steigung auch hier nicht wirklich nachließ, spürte ich schon langsam meine Beine. Das kam irgendwie deutlich zu früh. Schließlich war das hier nur der Appetizer für das was noch kommen sollte. Immer wieder dachte ich, jetzt sollte ich doch bald oben sein, aber es zog sich doch noch recht lange.

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Die Passhöhe am Col d'Albanne kommt in Sicht. Ein einsamer aber durchaus fordernder Pass.

Um 11:45 Uhr erreichte ich dann endlich die Passhöhe. Die Aussicht wusste durchaus zu gefallen. Nach links hatte man tolle Blicke zum Forte de Telegraphe, in Richtung Süden zum Grand Galibier. Ich fuhr noch ein paar Meter weiter bis Albanne, machte dort die erste längere Pause und aß etwas. Vor der nun folgenden Passage hatte ich ein wenig Angst. Es war zwar nur eine kurze Querung eines Schotterhanges. Aber ich hatte keine wirklichen Informationen darüber, ob das Teilstück derzeit fahrbar war oder nicht. Eine Sperrung hätte einen ziemlichen Umweg bedeutet, was ich heute sicher nicht hätte gebrauchen können. Letztlich war alles kein Problem. Das Schotterstück war gut zu fahren, ein wenig Vorsicht ob der teilweise großen Felsbrocken vorausgesetzt.

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Das kurze Schotterstück zwischen Col d'Albanne und Valloire. Zum Glück in einem guten Zustand.

Das letzte Stück nach Valloire runter, durfte ich dann auf Asphalt bewältigen. Dann begann der Anstieg zum Col du Galibier. So langsam kenne ich den Anstieg, war es diesmal immerhin schon der vierte Ritt auf den Mythos der Tour de France. Es dauerte nicht lange und die Steigung zog gut an. Erstaunlicherweise fand ich einen guten Tritt und die Wadenprobleme vom Col d'Albanne waren nicht zu spüren. Allerdings war ich hier mit dem Mountainbike natürlich langsamer unterwegs als die Jahre zuvor mit dem Rennrad und so wurde ich oft von anderen Rennradlern überholt. Je höher ich kam, desto mehr spürte ich dann aber die Müdigkeit. Meine Atmung wurde schwerfälliger und ich hatte auch das Gefühl, dass ich den Puls nicht mehr nach oben bekam. Hier wurde mir bewusst, dass es heute ein harter erster Tag werden würde, wie hart durfte ich aber erst später feststellen. Etwa drei Kilometer vor Plan Lachat brauchte ich eine Pause. Ich setzte mich auf ein paar Steine neben der Straße und futterte erstmal ordentlich Energie in mich hinein.

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Endlich kommt Plan Lachat in Sicht und damit kann das Abenteuer Col de Rochilles beginnen.

Glücklicherweise kam Plan Lachat dann doch früher als gedacht. Trotzdem legte ich nochmal eine kurze Pause ein, ehe ich meinem Traum entgegen fuhr. Schon dreimal war ich hier mit dem Rennrad nach rechts Richtung Col du Galibier abgebogen und jedes Mal dachte ich mir: "Wo es da wohl hingeht, egal wohin, da will ich auch hin!". Jetzt war es also so weit. Der Anfang war dann direkt ernüchternd. Während ich in Berichten und auch auf Bildern eigentlich dachte, es wäre bis zum Camp des Rochilles ein lockerer Schotteranstieg, erwarteten mich nun Tennisball große Steine und Steigungen jenseits der 10%. Nach kurzem Kampf kapitulierte ich bereits und stieg ab. KO in Runde 1! "Wenn ich hier schon nicht fahren kann, wie sollte das dann die nächsten Tage enden" dachte ich mir und mir wurde Angst und Bange. Es war aber nur ein kurzes Stück, danach wäre Fahren wahrscheinlich relativ problemlos möglich gewesen. Dummerweise hatte ich jetzt Krämpfe in beiden Innenschenkeln und wurde sie nicht los. Also wechselte ich ständig zwischen laufen und fahren und fragte mich dabei, was eigentlich anstrengender war.

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Blick zurück auf den Beginn des Anstieges von Plan Lachat zum Col des Rochilles. Theoretisch problemlos fahrbar :-)

Der Weg wurde danach zwar besser, trotzdem musste ich immer wieder absteigen. So wirklich Freude kam hier nicht auf. Manchmal wird man eben enttäuscht, wenn sich über Jahre ein Traum aufbaut und die Erwartungen dann letztlich nicht erfüllt werden. Jedenfalls sah die Strecke von der anderen Seite am Galibier immer wesentlich interessanter aus, als das was ich hier jetzt vorfand. Ich glaube allerdings, dass das zu einem großen Teil auch an meiner körperlichen Verfassung lag. Denn wenn ich mir jetzt die Bilder anschaue während ich diesen Bericht schreibe, denke ich mir sofort: "Wow wie geil war das denn!". Denn die Aussicht hier oben war schon toll. Nach vorne der Blick in eine tolle Gebirgslandschaft und die Frage, was da wohl noch kommen sollte. Und der Blick zurück fällt auf die grandiose Gabibierpassstraße.

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Blick Richtung Passhöhe des Col des Rochilles und die Frage, wo geht es hier weiter?
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Der Blick zurück ins Tal und auf den Beginn des steilen Schlußanstieges am benachtbarten Col du Galibier.

Über zahllose Serpentinen gewann man jetzt schnell an Höhe, trotzdem brauchte ich lange, bis mein Blick endlich auf die Baracken des Camp des Rochilles fiel. Ich machte erstmal eine kurze Pause und stellte dabei fest, dass der Reißverschluss meiner Satteltasche kaputt und damit offen war. Ein erster Kontrollblick und ich sah dass ich mein Multitool verloren hatte. Am ersten Tag das einzige Werkzeug zu verlieren war wohl semioptimal. Zumal ich sicher war, dass sich durch die ständige Lauferei meine Cleats lockern würden. Die müsste ich irgendwie wieder fest bekommen. Aber zunächst versuchte ich die Tasche wieder zu schließen. Der Reißverschluss war wohl hinüber also nahm ich ein Stück Paketschnur und versuchte so, die Tasche einigermaßen dicht zu bekommen. Noch mehr Ausrüstung musste ich nicht verlieren. Da ich die Schnur nicht abschneiden wollte, stopfte ich den Rest einfach in die Tasche hinein. Ein schwerer Fehler wie sich am Ende der Tour zeigen sollte.

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Das Camp des Rochilles und somit das Ende des leichten Teils auf dem Weg zum Col des Rochilles. Mir reichte es bis hierher eigentlich schon.

Ab jetzt wurde der Weg für mich schnell unfahrbar. Zu steil und zu verblockt zog sich das letzte Stück nach oben. Immerhin war die Passhöhe schon vom Camp aus zu erahnen. So wusste ich wenigstens, dass das Leiden bald ein Ende haben sollte. Um 15:30 Uhr kam ich dann ziemlich geschafft oben an. Die Aussicht entschädigte dann doch für so Einiges. Auf der einen Seite der phantastischen Blick auf den Lac du Grand Ban, auf der anderen Seite der Blick zurück zum Camp des Rochilles. Ein Blick auf meinen Tacho verriet mir aber, dass ich ganz schön spät dran war. Ich hatte kein Zimmer in Nevache reserviert und die Touristeninfo schloss um 17:00 Uhr. Mein Tacho zeigte mir an, dass ich um 17:15 Uhr ankommen würde. Also hielt ich mich nicht lange auf und versuchte mich an der Abfahrt.

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Die schöne Aussicht am Col des Rochilles. Der Blick zurück zum Camp des Rochilles..
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Der Blick auf die andere Seite. Die beiden Bergseen Lac du Grand Ban und Lac Rond.

Die Passage um die beiden Seen war noch teilweise fahrbar. Danach war es für mich aber einfach zu verblockt, ein typischer Gebirgswanderweg. Bis zum Refuge Laval lief ich so mehr, als dass ich fuhr. Man muss natürlich dazu sagen, dass ich erst ein halbes Jahr Mountainbike Erfahrung in den Beinen hatte und hier alleine unterwegs war. Wo ich in heimischen Gefilden oftmals nach dem Prinzip trial and failure unterwegs war, konnte ich mir hier einen Sturz nicht erlauben. Ganz im Gegenteil, ich musste sogar beim Laufen aufpassen. Die Zeit im Nacken führte dazu, dass ich ordentlich Tempo machte und selbst zu Fuß nicht langsam unterwegs war.

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Die Passage um die beiden Seen nach dem Col des Rochilles. In weiten Teilen noch fahrbar.
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Doch kurz danach war für mich Ende Gelände. Ein verblockter Wanderweg mit teils engen Kehren. Für mich leider unfahrbar.

Daher erreichte ich dann doch relativ schnell das Refuge Laval und war heilfroh. Ab hier war dann Fahren zum großen Teil wieder kein Problem. Später erreichte ich dann den Asphalt und es war klar, dass ich doch noch rechtzeitig in Nevache ankommen würde.

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Endlich ein Ende in Sicht. Das Refuge Laval und damit ein für mich wieder fahrbarer Weg.

Später wurde aus dem Schotterweg sogar noch eine Asphaltstraße und so holte ich viel Zeit heraus und erreichte um 16:30 Uhr nach 54,5 km, 2.210 hm und einer reinen Fahrtzeit von 5:30 h Nevache. Leider bekam ich über das Tourismusbüro auch kein anderes Hotel, als das, welches ich mir am Vortag schon im Internet angeschaut hatte. Es war lediglich ein Bett in einer Gemeinschaftsunterkunft im L'eterle de la Claree frei. Aber nach dem heutigen Tag passte das auch ganz gut. In meiner Unterkunft angekommen stellte ich dann noch fest, dass sich die Paketschnur gelöst hatte und sich gefühlte 300 mal um mein Ritzel und diverse Teile der Schaltung gewickelt hatte. Ich brauchte sicher eine halbe Stunde bis ich das Gewirr wieder entzweit hatte. Danach widmete ich mich der Körperpflege und wusch meine Sachen. Zum Glück war ich der Erste des 6-Mann Zimmers und konnte so alles in Ruhe erledigen. Meine Klamotten konnte ich draußen zum Trocknen aufhängen. Leider hatte ich kein Handtuch zum Einwickeln und Auswringen auf dem Zimmer. So musste ich halt hoffen, dass der Wind diesen Job erledigen würde. Als ich mit allem fertig war, merkte ich dann noch, dass ich durch die offene Satteltasche nicht nur das Mulitool, sondern auch meine Armlinge verloren hatte. Irgendwie kein optimaler erster Tag für meine erste Mountainbiketour.


Abends gab es dann ein nettes Abendessen, welches mit den anderen Gästen zusammen an einer großen Tafel eingenommen wurde. Ich versuchte es so gut es ging mich mit Französisch und Englisch durchzuschlagen, was auch einigermaßen gelang. Außer mir waren ansonsten nur Wanderer einquartiert. Aufgetischt wurde Melone mit Schinken, Gemüsegratin mit Hänchenschlegel und als Nachtisch Kuchen mit Eis. Das Essen war eigentlich super, ich war allerdings viel zu müde um wirklich viel zu essen. Um 9:00 Uhr lag ich dann auch schon im Bett und versuchte zu schlafen. Was nicht ganz einfach war, weil im Bett unter mir kräftig geschnarcht wurde.

Übersicht


2. Tag (Col de Dormillouse, Col de la Lauze)


Trotz der Schnarcherei konnte ich einigermaßen schlafen. Trotzdem war die Nacht eher kurz, was ob des heutigen Planes aber kein Fehler war. Heute sollte die wohl schwierigste Etappe anstehen. Schon das Profil des ersten Passes ließ erahnen, dass da mit Fahren nicht viel gehen würde; nettes Wortspiel :-). Mehrere Kilometer mit mehr als 15% sind schon auf Asphalt schwer zu bewältigen, im alpinen Gelände wohl utopisch. Ich hatte mir das Ganze im Vorfeld immer wieder schön geredet, aber was wirklich auf mich zukommen sollte, wusste ich nicht. Das Frühstück in meiner Unterkunft war gewohnt französisch. Viel Baguette, viel Honig und Marmelade, wenig bis nichts anderes. Ich schaffte es morgens noch einen Imbus aufzutreiben und meine Cleats, die sich tatsächlich schon gelockert hatten nachzuziehen. Danach packte ich meine Sachen und versuchte den ganzen Krempel der eigentlich für die Satteltasche gedacht war auch noch im Rucksack unterzubringen. Der Tag konnte also beginnen. Um ca. 9:00 Uhr fuhr ich zunächst noch auf Asphalt fast flach nach Roubion, wo ich in einem kleinen Supermarkt noch Croissants und Bananen kaufte. Dann folgte noch eine kurze Abfahrt bis Plampinet, ehe ich den Anstieg Richtung Col des Acles begann. Dieser erste Teil sollte eigentlich ein relativ einfacher Schotteranstieg sein. Gut, die ersten drei Kilometer hatten im Schnitt auch schon über 12% im Schnitt. Aber auf den Satellitenbildern sah der Weg nach feinstem Schotter und damit durchaus fahrbar aus. Was ich dann aber schon nach wenigen Metern zu Gesicht bekam, war alles nur kein feinster Schotter.

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Auf dem Weg nach Les Acles. Was der leichte Teil des Anstieges zum Col de la Lauze sein sollte, entpuppte sich direkt als unfahrbar.

Von feinem Kiesel über Tennisball große Steine bis hin zu Fußball großen Gesteinsbrocken war alles vorhanden. Das Ganze zu dem mit tiefen Rillen ausgewaschen und insgesamt ein sehr loser Untergrund. Hier wäre im Flachen schon Vorsicht geboten gewesen. Bei über 12% Steigung war für mich an Fahren gar nicht zu denken. Also runter vom Rad und laufen. Zwischendrin versuchte ich immer mal wieder mein Glück auf dem Rad. Das machte aber weder Spaß noch erhöhte es sprunghaft meine Aufstiegsgeschwindigkeit und von langer Dauer war es meist auch nicht. Als ich nach einem Kilometer die ersten Serpentinen erreichte, die nächste Spaßbremse. Eine Gerölllawine war heruntergekommen. Vor mir türmte sich ein ca. 3m hoher und 10m breiter Gesteinshaufen auf.

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Eine Gerölllawine versperrte mir den Weg. Dass dies nur der Anfang war ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

"OK, dachte ich mir, Bange machen gilt nicht, da musste du jetzt halt rüber". Also wuchtete ich mein Rad eher wenig gekonnt über die Geröllhalde und versuchte dabei nicht abzurutschen und umzuknicken. Es dauerte nicht lange und nach der nächsten Serpentine das gleiche Spiel. Langsam dämmerte mir was mir evtl. noch bevorstehen würde. Wenn die Lawine weiter oben abgegangen war dann zog sie sich evtl. durch sämtliche Serpentinen und es sollten noch einige kommen. Ich versuchte nicht daran zu denken und überquerte den nächsten Geröllhaufen. Da ich kurz zuvor ein älteres Wanderer Paar überholt hatte, musste ich doppelt vorsichtig sein. Ich musste nicht nur auf mich und auf mein Rad achten, sondern sollte auch tunlichst vermeiden, irgendwelche Steine loszutreten. Bis auf ganz wenige Abschnitte war ich hier nur zu Fuß unterwegs. Es machte halt auch keinen Sinn, wenn mal 50 Meter fahrbar waren, wenn man dahinter schon wieder sah, dass man vom Rad musste. Nachdem ich 3 oder 4 der Geröllhalden überquert hatte, erwartete mich nach einer Kurve die nächste böse Überraschung. Hier hatte die Lawine die Straße nicht nur verschüttet, nein sie hatte den Weg gleich komplett weggerissen. Vor mir klaffte einfach nur ein riesiges Loch. "Das ist jetzt ein schlechter Witz", dachte ich mir, wobei mir zum Lachen nicht zumute war.

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Auf dem Weg nach Les Acles. Leider war da kein Weg mehr. Eine Gerölllawine hatte ein großen Teil des Weges weggerissen.

Im ersten Moment war ich mir sicher, dass hier im wahrsten Sinne des Wortes Ende Gelände war. Hier würde ich mit Rad niemals drüber kommen. Und wenn diese Stelle zu Beginn des Anstieges gewesen wäre, hätte ich auch ohne mit der Wimper zu zucken umgekehrt. Aber Umkehren hieß in diesem Falle wieder zurück und nochmal über 3-4 Halden klettern. Ich war jetzt schon so weit gekommen, irgendwann musste der Quatsch ja mal ein Ende haben. Also versuchte ich erstmal vor meinem geistigen Auge einen Weg in den Krater zu finden und anschließend eine Stelle wo ich auf der anderen Seite wieder herauskam. Nach einigem Überlegen wagte ich mich schließlich voran. Dabei trat ich den einen oder anderen Stein los und hatte tierisch Schiss gleich selbst die nächste Lawine loszutreten. Das hätten die Wanderer unter mir, so sie denn überhaupt noch unterwegs waren, sicher nicht toll gefunden. Nachdem ich die ein oder andere brenzlige Situation überstehen musste, kam ich schließlich einigermaßen heil auf der anderen Seite an. Ich musste unweigerlich mit dem Kopf schütteln, ob der Dinge die ich hier tat. Radfahren in den Alpen, noch zumal alleine hat auch immer etwas mit Abenteuer zu tun. Aber das hier war mehr Abenteuer als mir lieb war.

Gott sei Dank war danach das Schlimmste tatsächlich überstanden. Ich glaube ich musste danach noch 1 oder 2 kleinere Hügel übersteigen aber mit dem Ende der Serpentinen war auch mein Leiden erstmal vorbei. An einem kleinen Häuschen machte ich erstmal Pause und stärkte mich mit Essen. Der Schweiß war bis hierhin in Strömen geflossen und das obwohl ich kaum gefahren war. Nach der Pause wurde es in der Tat deutlich besser. Die Steigung ließ deutlich nach und auch der Weg war teilweise fahrbar. Das Problem war eben nur, dass die fahrbaren Abschnitte recht kurz waren und ich häufig wegen 50 Metern keine Lust hatte mich aufs Rad zu setzen. Erst gegen Ende kurz vor Les Acles konnte ich wieder größere Teile fahren. Trotzdem erreichte ich insgesamt mehr laufend als fahrend nach etwa 1,5 h um 10:59 Uhr endlich Les Acles.

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Endlich am Ziel meiner Träume. Die Häuseransammlung Les Acles. Ich frage mich ja, wie die bei der aktuellen Wegelage versorgt werden.

Ich machte dort noch einmal eine längere Pause. Längst war klar, dass ich den zweiten Anstieg des Tages nicht würde machen können. Denn jetzt stand laut Profil ja erst der schwere Teil des Col de la Lauze auf dem Programm, während ich eigentlich jetzt schon restlos bedient war. Ich überquerte einen kleinen Bach und direkt ging es mit mehr als 20 % einen steilen Weg nach oben. Wahrscheinlich wäre hier schon tragen die deutlich effizientere Methode gewesen, ich aber versuchte mein Rad schiebend neben mir nach oben zu wuchten. Das Ganze zog sich über gut 2 km auf denen an Fahren nicht zu denken war. Da ich mir im Vorfeld neue Mountainbike Schuhe gekauft hatte, hier aber im Zweifel auf Steifheit und nicht auf Lauffähigkeit gesetzt hatte, breiteten sich langsam Blasen an beiden Versen aus. Zwischendrin durfte ich dann auch nochmal eine größere gut 30 m breite Gerölllawine übersteigen, mir sollte es ja nicht langweilig werden. "Ihr wollt mich doch jetzt echt verarschen!" war mein erster Gedanke als ich sie sah.

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Die nächste Geröllhalde. Diesmal zwischen Les Acles und dem Col de la Lauze. Aber was solls, ich hatte ja mittlerweile Übung.

Mein Tacho piepte ob der eingestellten automatischen Pause (was für eine strunz dämliche Einstellung, muss ich unbedingt ändern) ohnehin ständig, weil er durch die geringe Gehgeschwindigkeit nicht merkte, dass ich mich fortbewegte. Daher merkte ich nicht, dass er irgendwann zwischendrin mal aufgrund eines anderen Fehlers piepte. Ich war falsch gelaufen! Auf dem Anstieg gab es eigentlich nur eine kleine Weggabelung auf der man falsch gehen konnte. Die hatte ich mir auch noch notiert. Aber bei der ganzen Schinderei eben auch wieder vergessen. Irgendwann fiel mein Blick nach rechts den Hang runter auf einen zumindest von hier oben fahrbar aussehenden Weg. "Was für eine verfickte Kacke" dachte ich mir. Nicht nur dass ich sinnlos Höhenmeter gemacht hatte. Der Weg da unten sah sogar fahrbar aus und nachdem ich mich eben erst hoch gequält hatte, konnte ich jetzt schauen wie ich in dem steilen Gelände auf direktem Wege überhaupt wieder runter kommen sollte. Also quälte ich mich den steilen Hang hinunter und wurde immer hin mit dem Blick auf die noch in weiter Ferne liegende Passhöhe des Col de Dormillouse belohnt.

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In weiter Ferne taucht der Col de Dormillouse auf. Hier sah es auf jeden Fall nicht mehr so steil und teilweise sogar fahrbar aus.

Der Weg wurde jetzt erstmal deutlich besser und auf teilweise waldigem Boden konnte ich tatsächlich wieder längere Stücke fahren. Und selbst wenn nicht, war wenigstens das Schieben angenehmer. Teilweise wurde ich jetzt auch ein wenig übermütig und an einer steilen Stelle konnte ich nicht mehr weiterfahren, klickte nicht rechtzeitig aus und kippte Gott sei Dank ins weiche Gras. Der Schlussanstieg zum Col de la Dormillouse war dann nochmal deutlich steiler und so erreichte ich ziemlich fertig um etwa 12:30 Uhr die Passhöhe. Oben angekommen war ich natürlich gespannt wie es wohl weitergehen würde. Mein Blick viel auf einen großen Kessel bei dem ich zwei mögliche Ausgänge sprich Passübergänge ausmachen konnte. Der eine, weiter rechts gelegen gefiel mir gar nicht. "Bitte bitte lieber Gott lass das nicht den Col de la Lauze sein" schoss es mir durch den Kopf. Durch einen steilen Geröllhang zog sich dort ein ganz dünner Streifen Weg immer weiter nach oben. Doch ich hatte Glück, der Passübergang war mehr oder weniger geradeaus vor mir erkennbar.

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Blick zurück auf den letzten Teil des Anstieges zum Col de Dormillouse. Für mich nur ein Vorpass zum Col de la Lauze.
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Blick kurz nach der Passhöhe des Col de la Dormillouse auf den Col de la Lauze.

Zunächst ging es leicht bergab und ich konnte sogar den Großteil fahren. So erreichte ich viel schneller als gedacht den Col de la Lauze. Die letzten Meter waren dann noch einmal so steil, dass ich das Bike schultern musste. Und was soll ich sagen, das sollte ich dringend nochmal üben :-) Aber dann war es geschafft.

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Blick zurück kurz vor der Passhöhe des Col de la Lauze in Richtung Col de Dormillouse.

Und endlich wurde ich an diesem Tag mal positiv überrascht. Zum einen durfte ich mich an einer phantastischen Aussicht erfreuen. Zum anderen sah die Abfahrt zumindest von oben in großen Teilen fahrbar aus. Ich genoss noch ein wenig die tolle Kulisse und ließ den Tag bis hierher Revue passieren. Innerlich musste ich mit dem Kopf schütteln, was ich bis jetzt schon erlebt hatte. Der eigentliche Plan sah ja vor, von hier nach Claviere abzufahren um von dort über den Col de Gimont nach Briancon zu gelangen. Das war heute aber utopisch. Ich wollte nur noch irgendwie sicher und am liebsten fahrend direkt nach Briancon kommen. Also hieß es jetzt abfahren ins Tal und dann nicht nach Claviere sondern auf direktem Weg über Montegenevre nach Briancon.

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Der Blick zurück ins Tal vom Col de la Lauze. Rechts der mächtige Grand Pierron.
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Ausblick vom Col de la Lauze in Richtung Montegenevre. Der schön fahrbare Weg zieht sich in einer Rechtskurve ins Tal.

Die Fahrt war dann bis auf wenige Ausnahmen in denen ich vorsichtshalber abstieg ein wahrer Genuss und entschädigte für so Einiges was ich an diesem Tag erlebt hatte. Ein schöner Singletrail wunderbar in Almwiesen eingebettet zog sich mit einem angenehmen Gefälle und kaum Schwierigkeiten ins Tal. Euphorisiert von der Fahrt, wagte ich auch an Stellen auf dem Rad zu bleiben, die ich sonst im Urlaub vielleicht zu Fuß genommen hätte. So war ich am Ende nicht nur glücklich, dass ich den heutigen Tag ohne Umkehren überstanden hatte sondern auch ein wenig stolz. Es dauerte nicht lange, und ich erreichte Montegenevre.

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Blick zurück zur Passhöhe des Col de la Lauze. Die Abfahrt lässt sich schön erkennen.
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Blick zurück auf die Abfahrt vom Col de la Lauze kurz vor Montegenevre.

Die Abfahrt auf der Straße von Montegenevre kannte ich bereits. Die ist eigentlich wunderschön, wenn man nicht am Ende bis Briancon nochmal ordentlich in die Pedale treten müsste. Aber nach dem heutigen Tag, war mir das dann auch egal. Glücklich aber abgekämpft erreichte ich schließlich Briancon. Glücklicherweise hätte meine Etappe ja sowieso hier geendet, auch wenn ich den Col de Gimont noch mitgenommen hätte. So hatte ich mir schon am Vorabend ein Zimmer im Hotel Saint Antoine gebucht. Hier hatte ich schon letztes Jahr bei meiner Crossbike Tour übernachtet. Bevor ich dort ankam kaufte ich mir in einer Bäckerei noch was zum Essen. Ich hatte so dermaßen Hunger und zeigte auf das erst Beste das ich sah in der Hoffnung eine warme Pizzaschnitte zu ergattern. Tatsächlich war es eine kalte Quiche. Aber mein Hotel hatte eine Mikrowelle und so saß ich 10 Minuten später glücklich und zufrieden futternd im Bett. Die nackten Fakten für den Tag lasen sich dann im Vergleich zum Erlebten wenig spektakulär. Um 14:45 Uhr hatte ich nach 35,3 km und 1.050 hm mein Ziel erreicht.


Nachdem Essen bemerkte ich dann, dass ich mir durch meine Wandereinlagen an einem Schuh den Ratschenverschluss mächtig verbogen hatte. Ich konnte nur hoffen, dass der Schuh noch die nächsten vier Tage halten würde. Da das Wetter am nächsten Tag schlecht werden sollte, beschloss ich auf jeden Fall noch einmal einen Tag in Briancon zu verbringen. Entweder es würde sich eine kurze Tour ergeben oder eben ein Ruhetag. Ansonsten verbrachte ich den Rest des Tages mit dem Versuch meine Tour irgendwie umzuplanen. Nachdem ich durch die Wanderei zwei riesige Blasen an beiden Versen hatte, war klar, dass ich mir keine Halbtageswanderungen und damit keine auf einer Karte gepunkteten Wege mehr leisten konnte. Damit würden u.a. der Col des Thures und der Passo della Mulattiera ins Wasser fallen. Nachdem ich dann noch geduscht hatte, suchte ich im Netz schon mal einen Radladen um mein Multitool zu ersetzen. Abends ging ich dann essen und da ich Hunger hatte beschloss ich, diesmal nicht wählerisch zu sein und die erst beste Gelegenheit zu nutzen. Alter, war das ein Reinfall. Ich aß im Hotel de Gare die wohl schlechteste Lasagne meines Lebens und trank für sieben Euro ein Panache. Am Abend fragte ich dann die Hotel-Cheffin ob ich noch eine Nacht länger bleiben konnte. Leider ging das nicht, so dass ich vor dem Schlafen gehen noch ein anderes Hotel in Briancon für den nächsten Tag buchen musste.

Übersicht


3. Tag (Col de Granon)


Ich konnte nachts gut schlafen und so ging es morgens gut ausgeruht zum Frühstück. Das war dann wieder einmal typisch Französisch. Brot, Marmelade, ein wenig Süßes und Obst. Ich versuche viel zu essen, was mir nicht wirklich gelang. Dann fuhr ich mit dem Rad zum Mountain Cycles an der Durance gelegen und ersetzte immerhin mein Multitool. Es hätte natürlich auch Armlinge gegeben, aber die waren weder schön noch günstig, also verzichtete ich darauf. Ich fuhr zu meinem neuen Hotel, dem Hotel Mont Brison und stellte mein Gepäck im Hotel ab. Da das Wetter schlecht war, es nieselte und war kalt, hatte ich beschlossen einfach zum Col de Granon hoch zu fahren. Sollte es besser werden, könnte ich auf der anderen Seite noch die ein oder andere Festung besuchen, falls es schlechter werden würde, könnte ich auch umdrehen und wäre schnell wieder zurück. Trotz des Nieselregens entschied ich mich für die kurz/kurz Variante. Ich war noch nicht einmal so richtig im Anstieg, da merkte ich dass es zu kalt war und ich zog mir die Regenjacke über. Der Pass ist recht steil, die Durchschnittssteigung dürfte nur knapp unter 10 % liegen. Aber die Steigung ist einigermaßen gleichmäßig. Da ich ohne Gepäck fuhr und es kalt war, wählte ich ein ordentliches Tempo. Zu Beginn zeigten mir Kilometersteine noch meinen Fortschritt an, später musste ich ohne auskommen. Als ich etwa in der Mitte des Passes war, bemerkte ich, dass ich wohl zu wenig gefrühstückt hatte, jedenfalls meldete mein Magen Hunger. Aber irgendwie wollte ich bei mal mehr mal weniger starkem Nieselregen keine Pause machen und hoffte immer irgendwo einen Unterschlupf zu finden. Als der nicht kam, hielt ich doch kurz an und aß wenigstens eine Banane. Da es durch die zunehmende Höhe inzwischen schon deutlich kühler geworden war, wollte ich nochmal etwas anziehen. Dabei stellte ich leider fest, dass ich nur das lange Funktionsshirt mitgenommen hatte, nicht aber das Langarmtrikot. "Schön blöd", dachte ich mir. Ich brauchte oben für die Abfahrt auf jeden Fall etwas Trockenes. Also musste ich mir das Funktionsshirt sparen und fuhr weiterhin im Kurzarmtrikot und der dünnen Regenjacke. In der Folge fiel es mir schwer, einen vernünftigen Tritt zu finden. Einerseits wollte ich so schnell wie möglich oben sein, andererseits war das heute ja eigentlich ein Ruhetag. Der Pass war eigentlich schön zu fahren. Anfangs noch Serpentinen, später schlängelte er sich den Hang entlang nach oben, Verkehr quasi Fehlanzeige. Leider war die Aussicht durch das Schmuddelwetter natürlich begrenzt.

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Bescheidenes Wetter und begrenzte Aussicht beim Blick zurück auf Briancon während des Anstieges zum Col de Granon.

Mir wurde nun von Tritt zu Tritt kälter und ich sagte mir etliche Male, dass es völliger Blödsinn ist hier weiterzufahren. Aber irgendwie hab ich ein Problem mit Aufgeben. Auch wenn das hier keinen Spaß machte und ich riskierte mir ne deftige Erkältung einzufangen. So war da oben eben noch ein Pass-Schild und dazu noch eines das auf meiner ansonsten gut gefüllten Palamares mit einem weißen Fleck glänzte. Wer weiß wann ich mal wieder hier in der Gegend war. Jetzt so kurz vor dem Gipfel umzukehren war ja auch irgendwie blöd. Also stiefelte ich einfach weiter und versuchte die Vernunft zu unterdrücken. Denn auch wenn ich sicher nicht in Form war, darin bin ich immer gut :-) Nach einer Weile überholte mich von hinten ein Autofahrer und rief mir Bravo zu. Das half zwar nicht gegen die Kälte, motivierte mich aber trotzdem. Für einen ganz kurzen Moment hörte es einmal auf zu regnen. Leider war dies nur von kurzer Dauer. Mein Tacho sollte später Tiefsttemperaturen von 5° anzeigen. Und da die Schneefallgrenze an diesem Tag auf 2.500 m sank und der Granon 2.413m hoch ist, dürfte das eher noch übertrieben gewesen sein.

Anstieg Col de Granon.jpg
Begrenzte Aussicht auf der kalten Fahrt zum Col de Granon.

Leider kam jetzt mit zunehmender Höhe auch noch Wind hinzu. Ich erreichte eine Serpentine und dachte mich daran erinnern zu können, dass es jetzt nur noch geradeaus Richtung Pass ging. Es konnte also nicht mehr weit sein. Der Wind kam nun Gott sei Dank von hinten, so dass es wenigstens ein wenig leichter wurde. Der Autofahrer von vorhin hatte wohl auch festgestellt, dass der Granon heute kein lohnendes Ziel darstellen würde und kam mir wieder entgegen. Wieder wurde das Fenster runtergekurbelt und mir ein Daumen nach oben gezeigt. Dann erreichte ich endlich die Passhöhe. Mir war schweinekalt und ein eisiger Wind pfiff mir um die Nase. Ich versuchte hinter einem Gebäude ein wenig Schutz zu suchen und mich umzuziehen.

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Ziel erreicht, das war aber auch das einzig positive an diesem Tag. Die schweinekalte Passhöhe des Col de Granon.

Es dauerte aber gefühlt ewig, bis ich die Beinlinge und das trockene Funktionsshirt angezogen hatte. Als ich die Handschuhe anziehen wollte, bemerkte ich dass ich einen Winterhandschuh und einen Windstopperhandschuh dabei hatte, natürlich beide links. "Ich bin doch tatsächlich noch zu blöd Klamotten zu packen" schoss es mir durch den Kopf. Die folgend Abfahrt war zu Beginn noch ganz gut zu meistern. Es dauerte aber nicht lange, bis mich der Fahrtwind immer weiter auskühlte. Die kalten Finger und der schlecht sitzende linke Handschuh an der rechten Hand führten dann auch dazu, dass ich mit dem Bremsen Schwierigkeiten hatte. Also musste ich unterwegs einmal anhalten und versuchte durch heftiges Armkreisen ein wenig Temperatur in meinen Körper zu bekommen. So langsam lief mir auch die Nase. "Alter, wenn du dir jetzt was eingefangen hast, ist dir auch nicht mehr zu helfen", dachte ich nur. Endlich erreichte ich das Tal und gab auf dem folgenden Flachstück zum Hotel noch einmal ordentlich Gas. Nach 33 km und 1.250 hm kam ich dort schließlich wieder an. Ich stellte mein Rad ab und im gleichen Moment sah ich im Augenwinkel ein rotes Plastikteil durch die Gegend fliegen. "Shit, das einzige rote Plastik an meinem Rad, dürfte die Halterung der Lenkertasche sein!" schoss es mir durch den Kopf. Ich hob das Teil auf und ging erstmal ins Hotel. Dort durfte ich bibbernd vor Kälte erstmal noch eine Viertelstunde warten, weil mein Zimmer noch nicht fertig war. Immerhin hatte ich Ablenkung weil das Japanisches Paraclimbing Team für die gerade stattfindende Weltmeisterschaft auch eincheckte und sich gegenseitig interviewte. Als ich endlich aufs Zimmer durfte, stellte ich mich erstmal 20 Minuten unter die heiße Dusche. Danach ging es zum Einkaufen in den Supermarkt. Da ich nun schon zum vierten Mal in Briancon Station machte, kannte ich mich schon einigermaßen aus. Und an Einkaufsmöglichkeiten mangelt es hier ohnehin nicht. Ich futterte anschließend erstmal leckere Wurst mit Käse und Baguette, danach gab es noch Milch und Banane und ich gönnte mir ein Schläfchen.


So gestärkt kümmerte ich mich um meine Lenkertaschenhalterung. Das Teil war tatsächlich abgerissen. Da ja schon meine Satteltasche nicht mehr zu nutzen war, stellte mich das packtechnisch vor ein kleines Problem. Ich fand im Leclerc aber einen Sekundenkleber und es schien, als ob das Teil halten würde. Sicherheitshalber verschraubte ich noch mit Paketband eine Absturzsicherung, auf die McGyver stolz auf mich gewesen wäre. Danach wurde dann wieder der nächste Tag geplant. Ich hatte zwar eine grobe Vorstellung wie ich wieder zu meinem Auto kommen würde, aber nach den Ereignissen der letzten Tage plante ich nur noch von Tag zu Tag. Für den nächsten Tag hatte ich mir nun den Col de Gondran, den ich schon vom letzten Jahr kannte und im Anschluss den Col Gimont ausgesucht. Fast genau die gleiche Tour hätte ich eigenltich in umgekehrter Reihenfolge an Tag 2 absolvieren müssen.

Übersicht


4. Tag (Col du Gondran, Col de Gimont, Sestriere)


Ich hatte einigermaßen gut geschlafen und war froh, dass ich mich gut fühlte. Von Erkältung keine Spur. Zum Frühstück gab es Wurst, etwas Süßes und ein wenig Müsli, leider mit Rosinen. Ich hatte aber keinen großen Hunger weil ich abends im Leclerc noch leckeren Kuchen mitgenommen hatte. Das Wetter hatte wieder gewechselt und mich erwartete strahlender Sonnenschein. So startete ich um 9:00 Uhr zu meiner zweiten Fahrt auf den Col du Gondran. Die Straße ist zwar in einem schlechten Zustand aber durchgängig asphaltiert und mit etwas Vorsicht auch mit dem Rennrad befahrbar. Für mich war es eine willkommene Abwechslung zu den letzten Tagen. Ich fand gleich einen guten Rhythmus, kam gut voran und fühlte mich überraschend gut. Trotzdem dauerte es gefühlt sehr lange, bis ich das Fort d'Anjou erreichte. In meiner Erinnerung war die Strecke dorthin irgendwie kürzer. Tatsächlich hat man hier aber schon fast die Hälfte des gesamten Anstieges hinter sich gebracht. Ich war auch hier wie die Tage zuvor mal vom Galibier abgesehen völlig alleine unterwegs. Auf dem gesamten Anstieg begegneten mir ein Läuferpaar, ein E-Mountainbiker und zwei Polizeiautos. Nach einer kurzen Pause ging es weiter.

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Bick auf das Ancien Fort d'Anjou auf halbem Weg von Briancon zum Col du Gondran.

Je näher ich der Passhöhe kam, desto mehr Pausen benötigte ich allerdings. Ich trank mal wieder viel zu wenig was sicher auch dazu führte, dass ich mich nicht mehr wirklich frisch fühlte. Irgendwann kam ich auch an dem Schild vorbei, das mich im letzten Jahr ein wenig zweifeln ließ, ob ich tatsächlich weiterfahren sollte. Ich konnte zwar nicht viel entziffern, aber dass Danger de Mort Lebensgefahr bedeutet war mir damals schon klar. Diesmal gönnte ich mir eine Google Übersetzung und es war klar, dass der Zeitraum April-Dezember sicher war. Auf dem gesamten Anstieg stehen immer mal wieder Verbotsschilder, weil das gesamte Gebiet eigentlich militärische Sperrzone ist. Das interessiert aber nicht wirklich jemanden.

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Die Querung eines Geröllfeldes auf dem Weg zum Col du Gondran. Ganz oben rechts ist das Fort de l'Infernet zu erkennen.

Nach einiger Zeit erreichte ich endlich die letzte Serpentine und die Passhöhe kam in Sicht. Als ich oben war, staunte ich nicht schlecht. Es war reichlich Militär zu sehen. Ich versuchte sie gekonnt zu ignorieren und da sie das gleiche taten, war ich hier wohl nicht unerwünscht. Ich genoss den Blick auf Le Janus, welches immer noch gleich majestätisch und gespenstisch zu gleich gegenüber der Passhöhe thronte. Nachdem ich eine Kleinigkeit gegessen hatte, sah ich wieder etliche Soldaten über einen Hügel marschieren, genau in die Richtung, in die ich meine Fahrt fortsetzen wollte. "Au Mist", dachte ich mir. "Wenn die hier oben ne größere Übung abhalten, lassen die mich bestimmt nicht weiter fahren". Ich wartete, bis Sie die Passhöhe erreichten und sprach einen von Ihnen an. Aber der deutete mir gleich an, dass das überhaupt kein Problem sei. Er wollte noch wissen wo ich herkam und wohin ich wollte und dann verabschiedeten wir uns. Ich genoss noch kurz das Panorama und fuhr dann weiter. Dabei stellte ich fest, dass ich Luft im Reifen verloren hatte. Ich pumpte nochmal ordentlich nach und hoffte, dass es für einige Zeit reichen würde.

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Blick kurz nach der Passhöhe des Col du Gondran auf die Festungsanlage Le Janus. Rechts daneben der mächtige Mont Chaberton, vor einigen Jahren noch Traum vieler Mountainbiker. Mittlerweile zerfällt die Strecke wohl immer mehr.

Ich setzte meine Fahrt zunächst zum Col du Gondran Est fort. Es ging mal hoch mal runter und war super gut zu fahren. Man konnte sogar des Öfteren den Blick schweifen lassen und das grandiose Panorama bewundern. Da am Vortag eine Kaltfront durchgezogen war, waren fast sämtliche Berge an der Spitze mit Schnee bedeckt. Es sah aus, als ob jemand einen übergroßen Puderzuckerbestäuber benutzt hätte. Ich erreichte den Col du Gondran Est und stellte erleichtert fest, dass es bis zum Lac Gignoux nur vier Kilometer waren. Wie der Weg von hier weiter bis zum Col Gimont war, wusste ich nicht. Aber vier Kilometer waren ja nicht viel und von dort bis zur Passhöhe konnte es auch nicht mehr weit sein. Also setzte ich frohen Mutes meine Fahrt fort. Und ich wurde nicht im Geringsten enttäuscht. Es ging genau so weiter wie bisher. Ein schmaler, aber leicht zu fahrender Weg immer auf und ab. Nur eines blieb, die phantastische Aussicht.

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Blick auf die zucherbesäubten Berge auf dem Weg vom Col du Gondran Est zum Lag Gignoux.

Am Lac Noir traf ich eine Gruppe italienischer Mountainbiker die wohl auch zum Lac Gignoux wollten. Ich war also noch auf Kurs. Außer den Mountainbikern waren vor allem Wanderer unterwegs. Dann erreichte ich den Lac Gignoux. Hier war eine ganze Schulklassen am Ufer zu sehen. Der See lud aber auch förmlich zu einer Pause ein. Ich war glücklich und zufrieden. Nur wenige Meter trennten mich vom Col Gimont und von da würde ich schon irgendwie wieder ins Tal kommen. Aber bis hierher war ich praktisch alles gefahren, was ja im bisherigen Urlaub eher eine Seltenheit darstellte. Nachdem ich ordentlich gefuttert hatte, versuchte ich mich am Schlussanstieg. Zumindest das erste steile Stück wäre sicher fahrbar. Aufgrund der vielen Zuschauer wollte ich mir aber nicht die Blöße geben, nicht rechtzeitig aus den Cleats zu kommen falls es doch stocken sollte. Also stieg ich kurz vor Ende ab und schob bis zum Gipfel, den ich um 12:45 Uhr erreichte. Oben durfte ich eine phantastische Aussicht in beide Richtungen genießen.

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Nur ein Teil der schönen Aussicht am Col de Gimont.

Ich traf oben einen italienischen Motocrosser und fragte ihn, welchen der beiden Wege die zum Lago Nero führte der einfachere sei. Aber er meinte beide seien gut zu fahren. Und er hatte Recht. Ich lief zur Sicherheit die ersten paar Meter noch, dann setzte ich mich aufs Rad. Das folgende war alles problemlos zu fahren. Nur weiter unten fühlte ich mich zu sicher und passte nicht auf. Der Singletrail war tief in die Almwiesen geschnitten und eines meiner Pedale setzte auf. Schon machte ich einen kleinen Abflug. Aber einerseits war ich nicht schnell und andererseits landete ich weich, so dass außer einem Schrecken nichts passierte.

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Blick zurück auf die gut fahrbare Strecke vom Col Gimont zum Lago Nero.

Kurz vor dem Lago Nero traf ich noch einen französischen E-Mountainbiker der wohl vom Col d'Izoard kam. Mir war gar nicht bewusst, dass es auch von dort eine fahrbare Strecke gab. Aber das muss ich mir merken. Vielleicht klappt das ein anderes Mal. Er zeigte mir am Gegenhang den weiteren Weg Richtung Sestriere. Als ich kurze Zeit später an einer Weggabelung doch noch einmal auf der Karte nachschauen musste, bemerkte ich dass ich endgültig einen Plattfuß hatte. Also war Schlauch wechseln angesagt. Es folgte noch eine kurze Schotterabfahrt dann erreichte ich Bousson. Ich suchte mir erstmal ein schattiges Plätzchen, füllte meine Wasserreserven an einem Brunnen auf und aß ordentlich. Es war mittlerweile kurz vor 14:00 Uhr und die Mittagssonne zeigte ihre volle Kraft. Ab Bousson standen dann noch einmal knapp 10 km Straße nach Sestriere auf dem Programm. Eigentlich Schluss-Spurt, aber irgendwie fühlte sich das gar nicht danach an. Der Anstieg zog sich ewig. Und während ich die erste Pause noch nach 5 km einlegte, brauchte ich auf den folgenden 5 km gleich noch einmal zwei. Wenigstens war hier kaum Verkehr und die Aussicht wusste durchaus zu gefallen.

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Kurz vor Sestriere der Blick zurück auf die kaum befahrene Straße von Bousson nach Sestriere.

So war ich am Ende dann schon froh, endlich Sestriere zu erreichen. Nach 40,6 km und ca. 2.300 hm war mein Tagwerk um 15:00 Uhr beendet. Ich brauchte eine Weile bis ich endlich die Touristeninformation und einen Supermarkt fand. Dafür war das gebuchte Hotel Olimpic Sestriere dann aber super. Ich futterte kurz etwas, ging duschen und legte mich aufs Ohr. Auch die Lasagne in der Pizzeria Pinky abends war dann um Welten besser als am Tag zuvor in Briancon. Abends plante ich die weitere Tour und stellte fest, dass ich wohl einen zusätzlichen Tag brauchen würde. Aber das war kein Problem. Ich legte mich abends glücklich und ob des phantastischen Tages zufrieden ins Bett.

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5. Tag (Assietta Kammstraße, Colle delle Finestre, Novalesa)


Mein Bett war eigentlich viel zu weich, ich schlief aber trotzdem super. Auch das Frühstück wusste u.a. mit Wurst, Käse, Toast und Müsli zu gefallen. Insgesamt hätte ich ein so gutes Hotel für 55 Euro in Sestriere nicht erwartet. Der Inhaber wollte mir sogar noch ein Lunchpaket mitgeben und war auch ansonsten immer nett und hilfsbereit. Ich flickte noch meinen kaputten Schlauch, traf vor dem Hotel zwei italienische Rennradler die mir kurz ihre Standpumpe liehen und startete so gut ausgerüstet in Tag 5. Sogar der Reißverschluss meiner Satteltasche war auf wundersame Weise wieder intakt. Kurz nach 9:00 Uhr ging es dann los. Auf den heutigen Tag freute ich mich ganz besonders. Auf dem Programm stand die Assietta Kammstraße, welche ich eigentlich schon im letzten Jahr fahren wollte. Die Strecke sollte landschaftlich einiges zu bieten haben und böse Überraschungen sichtlich der Fahrbarkeit waren hier auch nicht zu erwarten. Der geschotterte Weg war zunächst prima zu fahren, der meiste Teil war eine ziemlich plattgewalzte Naturstraße. Auch die Aussicht wusste bereits zu Beginn zu gefallen. Ich kam allerdings vom Start weg schon mächtig ins Schwitzen und das lag nicht nur an den knapp 9% Steigung sondern auch daran, dass es wieder strahlend blauen Himmel hatte. Bald schon erreichte ich den ersten Hochpunkt den Colle Basset.

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Der Autor auf dem Weg von Sestriere zum Colle Basset, dem ersten Hochpunkt der Assietta Kammstraße.

Von dort ging es zunächst bergab und anschließend fast eben weiter zum zum Col Bourget. Der Straßenbelag änderte sich kaum, wenn überhaupt wurde er fast noch besser. Teilweise waren kleine Wellen zu überfahren was mir tierischen Spaß machte. Die Aussicht war natürlich auch grandios. Außerdem war ich hier mal wieder fast alleine unterwegs. Da es Samstag war, unterlag die Strecke einem Fahrverbot für KFZ. Es hält sich wohl nicht jeder dran, aber bis zum Col Basset hatte ich gerade einmal ein Auto und ein Motorrad gesehen. Und das sollte sich auch auf der gesamten Strecke nicht ändern. Ein paar Läufer, Wanderer und Mountainbiker, das war es dann auch schon.

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Blick vom Colle Basset auf den weiteren Verlauf der Assietta Kammstraße.

Zwischendrin durfte ich den ein oder anderen kleinen Bachlauf queren. Den nächsten Hochpunkt den Colle Costa Piana nahm man quasi im Vorbeifahren mit, die Strecke führte jetzt immer leicht bergauf. Dabei konnte man abwechselnd schöne Blicke, mal rechts ins Val Chisone oder links in Susatal ergattern.

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Blick zurück auf den Colle Costa Piana während der Fahrt auf der Assietta Kammstraße

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Ausblick beim Colle Costa Piana auf der Assietta Kammstraße ins Susatal auf Oulx

Bald schon konnte man den Monte Genevries bewundern, den man allerdings links liegen lässt. Wie es sich für eine echte Kammstraße gehört, erreicht man die offiziellen Hochpunkte, wie z.B. als nächstes den Col Blegier gar nicht nach einer Steigung, sondern nachdem man bergab gefahren ist. Ein Passübergang ist nun mal der niedrigste Übergang im Gelände. Und da die Assietta Kammstraße eben quer über den gesamten Hauptkamm verläuft, rollte man auch mal locker leicht zu einer Passhöhe hinunter.

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Blick hinunter zum Colle Blegier auf der Assietta Kammstraße.

Nach der Abfahrt zum Colle Blegier ging es wieder leicht bergan zum Colle Lauson. Kurz danach konnte man beim Blick zurück die Batterie Gran Costa erblicken und passierte das an einem kleinen See gelegene Case Assietta. So langsam zogen leider Wolken auf und die bis dahin tolle Aussicht wurde leicht getrübt. Sobald die Sonne dann auch mal für einige Minuten verschwunden war, merkte man dann doch dass man sich hier deutlich jenseits der 2.000 m Marke bewegte. Ohne wärmende Sonnenstrahlen war es dann doch recht kühl. Kurz danach erreichte ich den Colle dell'Assietta. Hier machte ich eine kurze Pause und studierte die Karte. Es gab nun zwei Möglichkeiten. Mich entweder rechts halten auf der offiziellen Route oder den linken Weg nehmen der an den alten Militäranlagen des Gran Serin vorbei etwa parallel zur Kammstraße aber deutlich höher verläuft. Rein von den Kilometern und Höhenmetern schenkten sich beide Strecken nichts. Die linke war wahrscheinlich ein wenig abenteuerlicher, zumindest wusste ich nichts über die Befahrbarkeit. Ich war mir nicht ganz sicher, welche Strecke ich denn nun nehmen sollte. Auf der linken würde ich sicher komplett alleine unterwegs sein, während ich auf der offiziellen Route wenigstens ab und zu einen Wanderer oder Biker treffen würde. Der langsam zuziehende Himmel sprach auch eher dafür auf Nummer Sicher zu gehen. Da half mir das Glück und ich sah kurz bevor ich mich aufmachen wollte die offizielle Route zu fahren, wie eine Gruppe Mountainbiker die Militärstraße herunterrollte. Ich wartete noch kurz bis sie bei mir waren und fragte sie nach dem Weg. Alles kein Problem meinten sie, also war die Entscheidung gefallen. Auf zum Gran Serin. Diesen erreichte ich über zwei steile Serpentinen. Der Belag wurde nun etwas schlechter, der Weg deutlich schmaler, aber er war mit ein wenig Vorsicht immer noch problemlos zu befahren. Der aufziehende Nebel, bzw. tief hängende Wolken machten das Ganze ein wenig gespenstisch. Hier sollte mir wirklich nichts passieren, denn es wäre nicht überraschend, wenn die nächsten 20 Stunden niemand mehr vorbeikommen würde.

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Fahrt vorbei an den Baracken der Gran Serin Festungsanlage auf der Alternativroute parallel zur Assietta Kammstraße.

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Kurz nach dem Gran Serin, das Wetter wird schlechter, die Gegend noch einsamer.

Ich passierte den als solchen nicht erkennbaren Colle delle Vallette und wechselte dabei wieder auf die rechte Kammseite. Jetzt folgte noch einmal ein schwerer Abschnitt. Über zwei lange steile Serpentinen kam man dem Gipfel des 2849 hohen Cima Ciantiplagna schon recht nahe. Da ich hier teilweise sehr langsam unterwegs war, stieg ich ein paar Mal zur Sicherheit ab. Ich wollte nicht riskieren plötzlich stehen zu bleiben und nicht rechtzeitig aus den Cleats zu kommen.

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Die steilen Serpentinen beim Cima Ciantiplagna. Kurz danach wird der höchste Punkt der Assietta Kammstraße auf respektablen 2.790 m Höhe erreicht.

Es folgte eine echt geile nicht enden wollende Abfahrt. An manchen Stellen lag hier noch Schnee und dementsprechend war auch viel Wasser auf dem Weg. Teilweise querte die Strecke einfach nur den Hang, teilweise durften aber auch Serpentinen befahren werden. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit sah ich bei aufreißender Wolkendecke die Straße, welche zum Colle delle Finestre hoch führt. Auf den letzten Metern sollte man sich aber nicht in Sicherheit wiegen. Es kreuzen noch einige tiefe und damit sehr holprige Wasserrinnen die Strecke.

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Die schöne und lange Abfahrt auf der Alternativroute der Assietta Kammstraße kurz nach dem Colle della Vecchla.

Kurz danach erreichte ich um ca. 14:00 Uhr die Straße knapp unterhalb der Passhöhe des Colle delle Finestre. Ich war schon irgendwie froh, fühlte ich mich doch wieder der Zivilisation ein Stückchen näher. Hier oben war dann doch der ein oder andere Rennradler und Motorradfahrer zu sehen. Ich verpflegte mich erstmal, zog eine Windjacke über und machte mich an die Abfahrt. Ich war gerade an der zweiten Serpentine als mir ein Motoradfahrer entgegenkam der die Kurve ein wenig arg langsam befuhr und dabei umkippte. Alleine hätte er sein Motorrad wohl nicht wieder aufgerichtet bekommen. Also half ich ihm und ein ebenfalls von unten kommender LKW Fahrer. Danach folgte die endlose Abfahrt nach Susa. Serpentine um Serpentine war zu meistern.

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Der Blick hinab auf das Serpentinengewirr der Abfahrt vom Colle delle Finestre nach Susa.

Da auf der Strecke gerade sehr viel ausgebessert wurde, durfte ich teilweise feinste Naturstraße befahren. Manchmal war aber auch Vorsicht geboten, weil die frisch aufgebrachte Schotterschicht noch nicht plattgewalzt und damit sehr lose war. Ich musste mich schon ein wenig über mich selbst wundern, dass ich die Strecke im Jahr zu vor alles hochgefahren bin. Kein Wunder fühlte ich mich damals beim anschließenden Anstieg nach Sestriere ziemlich am Ende. Der Finestre ist schon ein ziemliches Biest, steil und lang. Endlich erreichte ich den Brunnen und damit den Beginn des Asphaltes. Ich füllte meine Wasserflaschen und weiter ging es. Wieder folgte eine Serpentine nach der anderen. Selbst als ich in Meana die ersten Häuser passierte, war noch nicht Ende angesagt. Noch einmal ging es steil bergab bis ich endlich Susa erreichte. Hier war es natürlich deutlich heißer, schließlich hatte ich in knapp einer Stunde 2.300 hm verloren. Jetzt war die Frage, hier übernachten und damit noch einen zusätzlichen Tag Urlaub benötigen oder zu versuchen auf dem Weg zum Mont Cenis in Novalesa noch ein Zimmer zu bekommen. Dann würde ich es morgen wahrscheinlich schon wieder zurück zum Auto schaffen und könnte bereits die nächste Nacht wieder im eigenen Bett verbringen. Ich war eigentlich ziemlich müde, ließ aber das Schicksal entscheiden. Große Chancen rechnete ich mir ohnehin nicht aus. Zumindest online hatte ich in dem kleinen Dorf nichts gefunden. Aber ich hatte Glück, wenn man es so nennen kann wenn man sich mit einem simplen "Das nehm ich" noch einmal 400 Höhenmeter einhandelt. Jedenfalls verließ ich das Touri Büro mit einem reservierten Zimmer im Hotel Della Posta.


Der Anstieg nach Novalesa ist an sich keine große Sache, 9 km und etwa 400 hm auf Asphalt waren zu bewältigen. Allerdings war ich durchaus schon etwas angeknockt. Es ging dann auch zu Beginn gleich mächtig steil zur Sache. Als das Steilstück überstanden war, las ich ein Schild Novalesa 7 km. "OK dachte ich mir, das schaffste locker". Zu meinem Glück hatte ich hier auch schönen Rückenwind so dass ich auf der kaum ansteigenden Straße teilweise mit 20 km/h bergauf fuhr. Aber dann war fast von jetzt auf nachher urplötzlich der Ofen aus. Die letzten vier Kilometer waren nur noch ein Kampf. Die Hitze und das bisher geleistete zollten ihren Tribut. Es wurde wieder steiler, ich hatte Hunger und musste 3 km und 1,5 km vor Novalesa noch einmal eine Pause einlegen und sogar noch etwas Essen, sonst wäre ich nicht oben angekommen. Das letzte Stück fuhr ich nur noch auf dem größten Ritzel und es war eher ein Rad in Schwung halten damit ich nicht umfalle. Dann erreichte ich endlich nach 4:30 h reiner Fahrtzeit, 67,5 km und 1.600 hm um ca. 15.45 Uhr Novalesa. Leider hatte der Supermarkt noch zu, aber immerhin gab es hier einen. Ich fand rasch das Hotel und duschte erstmal. Dann stattete ich dem Supermarkt noch einmal einen Besuch ab. Ich brauchte aber lange bis ich etwas Sinnvolles zum Essen fand. Der Supermarkt war auch eher ein Minimarkt auf 20qm und die Hälfte der Dinge konnte ich weder durch die italienische Sprache noch durch die Packungsbilder identifizieren. Am Ende verließ ich ihn mit Wurst, Käse und Toastbrot. Aber was soll ich sagen. Das ist das geile am Radfahren. Man kommt abends müde und hungrig an und selbst die einfachsten Dinge schmecken wie ein 5*Essen. Gut gesättigt schlief ich danach erstmal ein. Danach versuchte ich den letzten Tag und insbesondere die Zugfahrt zurück zum Auto zu planen. Das war einerseits schwierig weil ich auf meinem Zimmer kein WLAN hatte (im Hotelgarten aber schon) und andererseits weil wohl ein Sturm die Strecke zwischen Modane und Briancon so ziemlich zum Erliegen gebracht hatte. Das Abendessen wusste dann auch zu Gefallen. Es bestand aus einem 3 Gänge Menü wobei man immer zwischen zwei Speisen wählen konnte. Ich verstand meist nur Bahnhof bis auf den Nachtisch, bei Gelato wusste ich sofort, das will ich.

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6. Tag (Col du Mont Cenis, Fort de Pattacreuse)


Ich schlief so schlecht wie im gesamten Urlaub nicht. Ab 3:30 Uhr gefühlt dann gar nicht mehr. So schön die letzten beiden Tage auch waren, nach so einer Nacht freut man sich dann wieder auf das eigene Bett. Um 7 Uhr stand ich auf und packte meine Sachen zusammen. Ich wollte heute früh los. Schließlich hatte ich heute nicht nur meinen letzten Tag sondern auch noch eine lange Heimreise vor mir. Kurz vor 8 Uhr saß ich bei Marmeladenbrot , Muffins und Orangensaft beim Frühstück. Für das Hotel zahlte ich einschl. Abendessen 55 Euro, was ich schon als Schnäppchen bezeichnen würde. Um 8:30 Uhr startete ich dann wieder bei strahlendem Sonnenschein meine letzte Tour. Der Beginn auf der asphaltierten Straße war schon mal sehr knackig und so direkt nach dem Frühstück nicht einfach zu fahren. Dafür durfte ich tolle Blicke ins Tal genießen und fuhr noch recht viel im Schatten. Verkehr gab es hier erwartungsgemäß gar keinen. Viele Serpentinen sorgten zudem für Abwechslung. Trotzdem waren vier kurze aber heftige Rampen zu bewältigen. Nachdem ich den Wald erreichte, war das schlimmste erstmal geschafft.

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Der Blick hinab auf Novalesa während des Anstieges über Moncenisio zum Mont Cenis.

Kurz danach durfte ich auf flacher werdender Straße etwas durchschnaufen ehe die Steigung wieder anzog. Ich war aber sehr froh als ich nach etwa 50 Minuten endlich Moncenisio erreichte. Ich war trotz der frühen Zeit schon heftig ins Schwitzen geraten und musste erstmal das Trikot öffnen und eine längere Trinkpause einlegen. Es folgte eine kurze Abfahrt an zwei schönen Seen vorbei bis ich auf den Einstieg zur Abkürzung hinauf zur Mont Cenis Hauptstraße traf. Ich hatte mir die Stelle tags zuvor mehrfach auf Karten angeschaut. Das Ganze war zwar zu Beginn als gepunkteter Wanderweg eingezeichnet. Aber die Verlockung war viel zu groß. Es waren nur 100 hm zu überwinden und die Alternative wäre, weiter auf Asphalt bergab zu fahren bis die beiden Straßen sich treffen und dann auf der Hauptroute wieder nach oben. Also versuchte ich mein Glück. Der Beginn war dann tatsächlich ein Singletrail, allerdings war er fast komplett fahrbar. Nur die ersten Meter ging ich zu Fuß weil der Weg doch recht schmal und direkt am Abhang entlang führte. Der Rest war alles problemlos fahrbar. Nach kurzer Zeit wurde der Weg auch breiter. Nur ganz zum Schluss musste ich an einer steilen Rampe noch mal vom Rad. In Windeseile war der Kilometer geschafft und ich erreichte die Hauptstraße. Ich musste unweigerlich lachen. Zum Einen weil ich mir über diese Stelle soviel Gedanken gemacht hatte, zum Anderen weil es einfach mal geil war, dass etwas wie gewünscht geklappt hatte.

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Der Singeltrail als Abkürzung von der SP212 zur SS25 zwischen Moncenisio und dem Mont Cenis.

Ich folgte nun also der Hauptstraße in Richtung Col du Mont Cenis. Überraschenderweise war auch hier kaum Verkehr. Nach etwa 20 min erreichte ich den kleinen Stausee La Cenise und machte dort eine kurze Pause. Danach gewann ich über vier Serpentinen schnell wieder an Höhe und erreichte das Hotel Le Malamot. Von hier aus konnte ich zwar schon die Staumauer des riesigen Lac du Mont Cenis, den See selbst aber noch nicht sehen. Ich folgte weiter der Straße und versuchte den Punkt zu finden, an dem ich die Straße verlassen und zur Staumauer abbiegen musste. Ich befürchtete schon daß ich am Ende wieder am Hotel Malamot landen würde, fand aber dann doch den richtigen Abzweig und erreichte über eine kurze Schotterstraße um kurz vor 11 Uhr endlich die Staumauer. Jetzt konnte ich einen ersten Blick auf den See werfen. Dabei war ich fast ein wenig einttäuscht. Ich war vor Jahren ja die Strecke am See vorbei schon einmal gefahren und obwohl dort das Wetter nicht top war, hatte ich ihn atemberaubend in Erinnerung. Heute war strahlend blauer Himmel aber so richtig Klick machte es beim ersten Anblick nicht.

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Der Blick auf den riesigen Stausee Lac du Mont Cenis.

Ich machte erstmal eine längere Pause, genoß die Aussicht und frühstückte ein zweites Mal. Dann überquerte ich die Staumauer und begann das Abenteuer Fort Pattacreuse. Zunächst ging es bei noch angenehmer Steigung auf einer guten Schotterstraße bergan. Schon bald bog ich nach links ab und landete auf einem breiten Weg der zum Großteil mit Gras bewachsen und sehr angenehm zu fahren war. Ich gewann jetzt schnell an Höhe und die Aussicht auf den See wurde dementsprechend immer besser. Wohin mein Weg mich führen sollte, war von hier nicht auszumachen. Immer weiter schlängelte sich der weiterhin gut fahrbare Weg nach oben. Bald erreichte ich die ersten Serpentinen.

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Die ersten Serpentinen auf dem angenehm zu fahrenden Weg vom Lac du Mont Cenis hinauf zum Fort Pattacreuse.

Immer mal wieder überholte ich ein paar Wanderer, ansonten war man hier mal wieder ziemlich für sich. Wieder erreichte ich ein längere Passage mit etlichen Serpentinen. Es war schon beeidruckend hier zu fahren und man muss den Hut vor den Menschen ziehen, die in diesen Höhenlagen solche Straßen angelegt haben. Auch wenn der Grund für das alles, ein trauriger war.

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Blick auf eine der zahllosen Serpentinen auf dem Weg vom Lac du Mont Cenis zum Fort Pattacreuse.

Ich hätte jetzt alle fünf Minuten anhalten und Bilder schießen können, so toll war die Auffahrt in diesem Bereich. Noch immer nicht konnte ich über mir irgendwie erkennen, in welche Richtung es weiter gehen sollte. Dafür wurde die Aussicht auf den See und die darumliegenden Berge mit jedem Höhenmeter natürlich besser. Kurze Zeit später sah ich dann aber über mir die ersten Gebäude. Etwa 10 Minuten später erreichte ich diese auch. Dies war aber noch nicht das Ende. Noch einmal überwand ich einige Serpentinen und überquerte schließlich eine kleine Kuppe, dann hatte ich um 12:20 Uhr das Fort erreicht. Wobei alles was ich sah ein wenig Stacheldraht und ein Teil einer Batteriestellung war. Das eigentliche Fort hätte ich wohl aus einer der Serpentinen heraus zu Fuß erreichen können. Allerdings sind dort auch nur noch Ruinen erhalten. Der Großteil der Anlage ist ohnehin unterirdisch verlegt. Der Ausblick war dafür phantastisch. Ich sah zwar von hier den Lac du Mont Cenis nicht mehr, konnte mir aber wunderbar den weiteren Verlauf des Weges zum Col du Petit Mont Cenis betrachten. Der Plan sah nämlich eigentlich vor, diesen noch zu überqueren und dann versuchen einen Weg hinab auf die Straße nach Bramans zu finden. Auch über diesen Abschnitt konnte ich nicht wirklich Informationen finden und so entschloss ich oben am Fort schweren Herzens die sichere Alternative zu wählen und zurück zum Lac du Mont Cenis und dann auf der Straße nach Lanslebourg abzufahren. Es war nicht nur das Ungewisse, ich war auch irgendwie ziemlich müde und der Weg zum Petit Mont Cenis zog sich scheinbar endlos. Im Nachhinein betrachtet, sollte das eine ziemlich blöde Entscheidung sein.

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Blick vom Fort Pattacreuse in Richtung Col du Petit Mont Cenis. Ich bin mir ziemlich sicher, wir sehen uns ein ander Mal.

Es ging also zunächst wieder den gleichen Weg zurück. Auch bergab war das Ganze schön zu fahren. Nachdem ich den Großteil der Serpentinen überwunden hatte, fand ich noch einen kleinen Singletrail, der mir als Abkürzung noch ein paar Meter sparte und mich schneller zurück Richtung Lac du Mont Cenis bringen sollte. Ich durfte noch ein kleines Stück parrallel zum See fahren und erreichte dann den Abzweig zum Col du Petit Mont Cenis. Ich aber blieb weiter am Seeufer, setzte die Umrundung fort und erreichte über eine steil ansteigende Schotterstraße schließlich wieder die Straße die über den Col du Mont Cenis führt. Jetzt durfte ich noch einmal ordentlich in die Pedale treten, bis ich den höchsten Punkt erreichte und einen letzten Blick auf den Lac du Mont Cenis warf.

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Letzter Tag, letzter Blick zurück vom Col du Mont Cenis zum Lac du Mont Cenis .

Es folgte die geile Abfahrt hinab nach Lanslebourg. Dort hatte leider das Tourismus Büro zu und mit den ausgehängten Busfahrplänen kam ich nicht klar. Die folgende Strecke bis nach Modane kannte ich schon zu Genüge. Schon zweimal durfte ich mich hier bei reichlich Gegenwind ins Tal plagen. Das war auf dem Rennrad schon eine Quälerei und würde auf dem Mountainbike sicher nicht besser werden. Aber das konnte ich jetzt auch nicht ändern. Also machte ich mich auf den Weg Richtung Modane. Es war genau so wie es bisher immer war. Am Anfang rollt es noch ganz gut, dann wird das Gefälle immer geringer und der Wind bremst einen zusätzlich. Es war eine üble Schinderei. In Le Verney stellte ich dann auch noch fest, dass ich einen Platten hatte. Meine Motivation war am Tiefpunkt angelangt. Ich hatte jetzt echt keinen Bock mehr. Während ich den Reifen flickte, versuchte ich immer mal wieder einem der vorbeifahrenden Autos anzuzeigen, dass ich gerne mitfahren würde. Aber es hielt natürlich keiner an. Wäre ich über den Petit Mont Cenis gefahren, wäre ich genau hier auch wieder auf die Straße gestoßen und ich glaube kaum, dass es soviel anstrengender gewesen wäre. Ich aber quälte mich nach dem die Panne behoben war weiter und musste kurze Zeit später auch noch den 3 km langen Gegenanstieg überstehen. Ziemlich fertig erreichte ich schließlich um etwa 15:00 Uhr nach 4:36 h reiner Fahrtzeit, 71 km und 1.800 hm Modane. Ich schleppte mich zum Bahnhof und hoffte, dass ich wenigstens bald einen Zug nach Saint Jean de Maurienne erwischen würde. Ansonsten würden mir noch einmal 25 km bevorstehen.


Ich verstand den Mann hinter dem Ticketschalter nicht wirklich, was ich aber verstand war, dass keine Züge fahren würden. "Bitte nicht", dachte ich nur. Glücklicherweise half ein Franzose hinter mir in der Schlange weiter. Er konnte auch Englisch und so erklärte ich ihm, dass ich mit meinem Rad in Richtung Saint Jean de Maurienne musste. Er übersetzte dann dem Fahrkartenverkäufer und schließlich erhielt ich die Antwort, dass wohl ein Bus fahren würde, der auch mein Rad mitnehmen würde. Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen und kaufte glücklich und zufrieden die Tickets. Kurze Zeit später saß ich schon im Bus und erreichte bald auch Saint Jean de Maurienne. Noch eine kleine Fahrt mit dem Rad und ich war wieder an meinem Auto angelangt. Mein Urlaub war vorbei. Ich packte alles ein, fuhr ein Stück mit dem Auto und hielt an einem Rastplatz an, wo ich mich erstmal frisch machte und saubere Klamotten anzog. Dann setzte ich die Heimreise fort und erreichte um ca. 23:00 Uhr müde aber zufrieden wieder mein zuhause.



Fazit:

Es war sicherlich die abenteuerlichste Tour bisher. Ich habe auf dem Rad ja durchaus schon Einiges erlebt, aber die ersten beiden Tage waren dann doch ein wenig viel für mich. Man muss ganz ehrlich sein: Das Experiment eine Mountainbike Tour im Hochgebirge nur mit Satellitenbilder und topographischen Karten zu planen ist zumindest für mich gescheitert. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass ich bergab einfach zu wenig Erfahrung habe. Ich hatte seit dem Kauf des Mountainbikes keine 1.500 km auf dem Bike verbracht. Und auch bergauf lässt die Form langsam nach. Vom 01.01. bis zum Start der Tour hatte ich gut 1.000 km auf dem Mountainbike und 2-3 Rennradtouren in den Beinen. Da kann man dann keine Wunderdinge erwarten. Zu guter Letzt bin ich auch nicht der Typ der stundenlang bergauf laufen will nur um dann die Abfahrt zu genießen. Vor allem eben dann nicht, wenn man auch die Abfahrt aufgrund fehlenden Könnens nicht genießen kann. Da sind dann Wanderschuhe die bessere Alternative. Trotzdem hat die Tour Spaß gemacht und die letzten drei Tage haben für unheimlich viel entschädigt. Die Entscheidung 2020 wieder mit dem Rennrad auf Tour zu gehen war zwar schnell gefallen. Schließlich fehlt mir aus meiner ursprünglichen Liste der asphaltierten und über 2.000 m hohen Alpenpässe immer noch einer und die Liste muss irgendwann ja mal vollendet werden. Aber während ich diesen Bericht geschrieben habe und die Bilder betrachtete, merkte ich dann doch, dass es mir nächstes Jahr schwerfallen wird, das Mountainbike stehen zu lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, 2021 geht es wieder ins Gelände. Dann aber vielleicht auf einer einfacheren Route.


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