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3. Alpentour vom 16.08.08 - 21.08.08 in den Dolomiten

    Tag1 (Ritten)

    Tag2 (Passo di Rolle, Passo di Valles, Passon di San Pellegrino)

    Tag3 (Passo Pordoi, Passo Falzarego, Passo Giau, Passo Fedaia)

    Tag4 (Ruhetag: Wanderung auf den Piz Boe)

    Tag5 (Passo Sella, Grödnerjoch, Passo Campolongo, Passo Pordoi)

    Tag6 (Karerpass, Seiser Alm, Passo Sella)


1. Tag (Ritten)


Die Radsaison neigte sich schon langsam dem Ende entgegen, da sollte für mich noch das Highlight bevorstehen. Bei der inzwischen 3. Auflage des Alpen-Urlaubes, sollte mich mein Rad dieses Mal durch die Dolomiten tragen. Nachdem das Jahr bis in den Sommer hinein eigentlich prima verlaufen war, bremste mich eine fiebrige Erkältung mit allerlei Randerscheinungen Mitte Juli aus. Sie verhinderte auch meine erste Teilnahme an einem Alpenmarathon; jetzt ist der Highlander halt nächstes Jahr dran. Zu allem Unglück hatte mein Kumpel Patrick im Vorfeld mit erheblichen Knieproblemen zu kämpfen und das Vorhaben hing zwei Wochen vor dem Start noch am seidenen Faden. Darunter litt meine Motivation doch ein wenig und ich fuhr im Vorfeld des Urlaubes nur noch sporadisch. Trotz allem hatte ich beim Start am 16.08.08 4800 km und 50.000 hm in den Beinen. Die Dolomiten konnten also kommen, und sie kamen…


Unsere Anreise begann morgens um 9:00 Uhr in Ulm. Ohne größere Komplikationen erreichten wir um 13:30 Uhr unser erstes Ziel, Klausen in Südtirol. Das Wetter und damit auch unsere Laune war auf der gesamten Fahrt zunehmend besser geworden. So stiegen wir bei wunderschönem Sonnenschein gut gelaunt aus dem Auto, machten unsere Räder startklar und starteten um 14:00 Uhr zu unserem ganz persönlichem Giro Dolomiti.

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Noch gut gelaunt und voller Tatendrang, schade dass dieser Zustand nicht lange anhielt!

Da Patrick seine Knieprobleme noch lange nicht überwunden hatte, wurde die im Vorfeld als Prolog geplante Sella-Runde gestrichen. Stattdessen wollten wir von Klausen über Ritten und zurück ein lockeres Einrollen praktizieren. Zunächst einmal ging es für ca. 6 km auf einer viel befahrenen Straße leicht bergab. In Ponte Gardena zweigt dann die Straße nach rechts ab und der Anstieg nach Barbian beginnt. Über viele Serpentinen zieht sich der Anstieg mit ca. 8% sehr gleichmäßig nach oben. Bereits hier konnten wir schöne Ausblicke in Richtung Rosengarten genießen.

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Patrick während des kurzen Anstieges nach Barbian

Mein Puls verließ während des kurzen Anstieges den GA-Bereich zu keiner Zeit. Wir mussten Patricks Knie schließlich ganz langsam an die kommenden Belastungen heranführen. Er war im Vorfeld fast gar nicht gefahren, und wenn, dann quasi nur mit einem Bein! In Barbian folgte eine kurze Abfahrt mit zunächst schlechtem Straßenbelag, der aber nach kurzer Zeit besser wurde. Danach begann der Anstieg nach Ritten. Der Verkehr hatte hier endgültig nachgelassen. So konnte man den unrhythmischen Anstieg auf einer kleinen, windungsreichen Straße durch viele kleine Bergdörfer so richtig genießen. Immer wieder wurde man für die erklimmten Höhenmeter auch durch neue tolle Ausblicke belohnt.

Anstieg Ritten2.jpg
Tolle Ausblicke während des Anstieges nach Ritten

In Ritten angekommen, folgte eine tolle Abfahrt auf einem sehr guten Belag. Erst am Ende wurde die rasante Fahrt durch etliche Serpentinen gebremst. Kurz vor Bozen erreichten wir dann die Bundesstraße, welche uns wieder nach Klausen bringen sollte. Zu unserer Freude fanden wir aber zunächst einen hübschen Radweg parallel zur Straße. Leider befindet sich dieser derzeit noch im Ausbau, so dass wir die letzten 10 km doch wieder auf die Straße ausweichen mussten. Nach 3:15 h, 67 km und 1200 hm erreichten wir schließlich wieder Klausen und konnten einen rundum gelungenen Prolog feiern. Die Weiterfahrt mit dem Auto nach Canazei sollte uns dann schon einmal auf das vorbereiten, was uns in den nächsten Tagen leider des Öfteren begleiten würde; eine ganze Menge Autos. In Canazei selbst, wurden wir dann sogar von einem Stau überrascht. Dafür konnten wir mit unserer geräumigen Ferienwohnung sehr zufrieden sein.

Übersicht


2. Tag (Passo di Rolle, Passo di Valles, Passo di San Pellegrino)


Bereits um 7:15 Uhr endete unsere erste Nacht in den Dolomiten. Wir suchten eine örtliche Bäckerei auf, frühstückten gemütlich und machten uns startklar. Die Klamotten-Wahl gestaltete sich schwierig. Bedeckter Himmel und noch sehr frische Morgenluft ließen mich letztlich zum Langarmtrikot und den Beinlingen greifen. Auch für den zweiten Tag hatten wir aufgrund Patricks Kniebeschwerden eine nicht ganz so harte Tour gewählt. Zunächst ging es leicht bergab Richtung Predazzo, welches hier vor allem durch diverse Skisprung-Wettbewerbe bekannt sein dürfte. Der Verkehr war auf diesem Abschnitt wieder enorm. Von frischer Bergluft war nichts zu riechen. Glücklicherweise braucht der Körper beim Bergabfahren kaum Energie und somit auch wenig Sauerstoff, so war es einigermaßen erträglich. Patrick fühlte sich zu meiner Freude auch schon viel besser, als am Tag zuvor. Nach 50 Minuten erreichten wir Predazzo und damit den Anstieg zu unserem ersten richtigen Dolomiten-Pass, dem Passo di Rolle.

Der Anstieg lässt sich sehr gut in drei Abschnitte unterteilen. Die ersten 6 km ziehen sich relativ gleichmäßig mit ca. 7% über grüne Almwiesen nach oben. Der Verkehr hatte hier zwar bereits merklich nachgelassen, um wirklich entspannt zu radeln, war es aber immer noch zu viel. Mittlerweile war es auch schon sehr viel wärmer geworden und ich begann bereits mein Langarmtrikot zu öffnen und mich selbst aufgrund der Wahl zu verfluchen. Der nächste Abschnitt führt auf 7 fast flachen km an einem Stausee entlang. Hier konnte man sich gut erholen, obwohl das bei unserem Tempo eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Erstaunlicherweise überholte uns aber während des Anstieges auch kein anderer Radler. Vielleicht waren wir doch nicht so langsam unterwegs. Nach dem Flachstück folgen die letzten 6 km, die mit ca. 6 % im Schnitt wieder deutlich steiler sind. Der Schlussteil verläuft fast ausnahmslos im Wald, dadurch wurde es schlagartig wieder kühler und ich war plötzlich mit meinem Trikot wieder im Reinen.

Oben angekommen, machten wir eine kurze Verpflegungspause. Diese wurde jedoch schnell beendet, weil es zu regnen begann. Glücklicherweise kam das schlechte Wetter von der anderen Seite des Passes. Daher fuhren wir noch auf trockener Straße den eben erklommenen Anstieg wieder ein Stück zurück bis zum Abzweig zum Passo di Valles. Patrick hatte auf den letzten Metern zum Passo di Rolle sein Knie wieder gespürt. Die nächsten beiden noch anstehenden Pässe waren mit jeweils 6 km zwar nicht wirklich lange, dafür aber je zur Hälfte mit über 10% im Schnitt sehr steil. Da er kein Risiko eingehen wollte, verabschiedete er sich hier und radelte den gleichen Weg zurück. Ich entschied trotz der unsicheren Wetterlage die geplante Tour zu Ende zu fahren. So trennten sich bereits am zweiten Tag unsere Wege. Dass dies jedoch der Anfang vom Ende für Patricks Urlaub bedeuten sollte, war mir zu der Zeit allerdings nicht bewusst.


Ich jagte zu Beginn des Anstieges zum ersten Mal den Puls ein bisschen in die Höhe. Der Verkehr hatte hier jetzt deutlich nachgelassen. Die ersten 3 km sind mit ca. 6% noch mäßig steil. Dann folgen jedoch 3 km mit zweistelligen Steigungswerten. Hier musste ich mir um einen zu niedrigen Puls keine Sorgen zu machen. Leicht erschöpft ob der schnellen Fahrt, erreichte ich schließlich die Passhöhe des Passo di Valles. Es gab nicht viel zu sehen und am Himmel zeigten sich immer mehr dunkle Wolken. Demzufolge machte ich mich rasch an die Abfahrt. Diese hätte aufgrund ihrer Steilheit und eher wenig Serpentinen sehr nett werden können. Leider begann es aber bereits nach einigen Metern an zu regnen. Ich zog meine Regenjacke über und fuhr fortan mit deutlich geringerer Geschwindigkeit Richtung Falcade.


Nach ca. 7 km folgt der Abzweig zum Passo Di San Pellegrino. Es geht direkt von der Abfahrt in den Anstieg. Da dieser gleich mit über 10% beginnt, scheint man zunächst vor einer unbezwingbaren Wand zu stehen. Da es inzwischen wieder aufgehört hatte zu regnen, hielt ich davor kurz an und zog meine Regenjacke wieder aus. Anschließend war es sehr schwer einen akzeptablen Tritt zu finden. Die Steigung lässt über mehr als drei Kilometer nicht nach. Kurz bevor das Schlimmste überstanden ist, wartet zum krönenden Abschluss noch mal eine Rampe über mehrer hundert Meter mit 14% im Schnitt. Hier musste ich mich jetzt richtig quälen. Die Geschwindigkeit sank teilweise auf 8 km/h. Doch auch diese Rampe wurde gemeistert. Obwohl die letzten knapp drei Kilometer auch noch über 8% aufweisen, konnte ich mir hier doch schon wieder ein bisschen erholen. Leider war auch hier oben nicht wirklich viel zu sehen. So gab es nur eine kurze Pause und ein wenig zu Essen, bevor ich mich in die Abfahrt nach Moena stürzte.

Durch den guten Straßenbelag und den fast nicht vorhandenen Verkehr, kam hier richtig Freude auf. Die letzten 16 km von Moena nach Canazei zurück waren dann noch mal hart. Insgesamt stetig bergauf, aber sehr wellig und wieder mit reichlich „Begleitfahrzeugen“ fand ich überhaupt keinen vernünftigen Tritt und wuchtete ständig viel zu dicke Gänge. So kam ich schließlich abends ziemlich müde nach 4:30 h, 101 km und 2500 hm wieder in Canazei an. Als ich die Tür zur Ferienwohnung öffnete, sah ich Patrick kopfschüttelnd auf dem Sofa liegen. „Mein Urlaub ist zu Ende“ waren die Worte, die keiner von uns hören wollte. Er hatte auf der Heimfahrt wieder starke Schmerzen im Knie verspürt, musste sich von älteren Damen auf Trekking-Bikes überholen lassen und immer wieder Pausen einlegen. Seine Dolomiten-Rundfahrt war vorbei, bevor sie richtig begonnen hatte.

Übersicht


3. Tag (Passo Pordoi, Passo Falzarego, Passo Giau, Passo Fedaia)


Heute stand meine Königsetappe auf dem Programm. Wie immer hatte ich keinen Wecker gestellt. Wer Frühaufsteher ist und einen unruhigen Schlaf hat, braucht so was aber auch nicht. Um 7:30 Uhr wachte ich auf und schaute nach dem Wetter. Schlagartig war ich hellwach. Ein grenzenlos blauer Himmel strahlte mir entgegen. Also schnell angezogen, Proviant für unterwegs und für Patrick’s Frühstück besorgt, noch gemütlich mein Müsli verschlungen, Sachen gepackt und um kurz nach 9:00 Uhr saß ich auf meinem Renner.

Mein Weg führte mich zunächst auf den Passo Pordoi. Hier war es anfangs noch sehr frisch, da der Anstieg zu dieser Tageszeit noch im Schatten verläuft und ich in kurz/kurz aber mit Arm- und Beinlingen unterwegs war. Ich fand schnell einen guten Tritt und nach dem mein Puls ein wenig höher getrieben war, konnte ich sogar meinen eigenen Atem sehen. Leider war mal wieder reichlich Verkehr unterwegs. Der Anstieg verläuft sehr gleichmäßig und immer wieder konnte man tolle Blicke aufs Sellamassiv werfen. Oben angekommen wurde ich aufgrund des schönen Wetters dann auch gleich mit einem schönen Ausblick belohnt.

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Blick vom Passo di Pordoi in Richtung Osten

Es folgte eine tolle Abfahrt, zunächst mit sehr vielen Serpentinen, anschließend mit weiten Kurven in denen man es wunderbar laufen lassen konnte. Das letzte Stück bis Cernadoi wurde dann immer flacher und zwang mich wieder zum Mittreten. So wurden die Muskeln aber wenigstens gleich für den nächsten Anstieg vorbereitet. Dieser sollte mich auf den Passo Falzarego führen. Glücklicherweise ließ hier der Verkehr bereits deutlich nach. Auch dieser Anstieg bereitete mir kaum Mühe. Ich hatte hier zu Beginn auch noch Schatten und damit angenehme Temperaturen. Die Auffahrt verläuft sehr gleichmäßig und ohne steile Rampen. So fand ich schnell einen guten Tritt. Die vielen Serpentinen sorgten außerdem für Abwechslung. Je näher man der Passhöhe kam, desto schöner wurde auch die Aussicht. Oben machte ich erstmal eine kleine Pause und aß eine Kleinigkeit.

Dabei sah ich in unmittelbarer Nähe eine weitere Passhöhe. Ein Blick auf die Karte zeigte mir, dass es sich dabei um den Passo Valparola handeln musste und dass es wohl nur gut einen Kilometer und knapp 100 hm extra bedeuten würde. Drauf geschis… dachte ich mir. Ich hatte heute zwar ohnehin jede Menge Höhenmeter vor mir, aber wenn man schon mal hier ist, sollte man die Gelegenheit seine Pässesammlung zu erweitern, auch nutzen. Also machte ich mich kurze Zeit später auf zum Passo Valparola. Oben wurde ich dann mit einer schönen Aussicht auf die eben bezwungene Auffahrt zum Passo Falzarego belohnt.

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Die letzten Serpentinen am Passo Falzarego, fotografiert während der Abfahrt vom Passo Valparola

Danach folgte eine nette Abfahrt Richtung Cortina d’Ampezzo. Da es hier ganz untypisch für meine bisherigen Erfahrungen in den Dolomiten nur sehr wenige Serpentinen gab, konnte man die Fahrt fast ungebremst genießen. Beim Abzweig zum Passo Giau hielt ich kurz an, um in einem Restaurant meine Wasserflaschen aufzufüllen. Ich wartete auf den Kellner hinter der Bar. Doch noch bevor ich ihn darum bitten konnte meine Wasserflaschen zu füllen, nahm er sie mir auch schon aus der Hand und hielt sie unter den Wasserhahn. Italien ist halt ne Radsportnation!

Vor dem nun Folgenden hatte ich ein bisschen Respekt. Erst der Giau mit über 8% auf 8 km und als krönender Abschluss dann der 15 km lange Passo Fedaia mit über 10% auf den letzten 7,5 km. Doch zu meiner Überraschung ging es erstmal ein Stück bergab. Ich machte mir schon Sorgen, ob ich auf dem richtigen Weg war. Zusätzliche Höhenmeter konnte ich mir heute keine erlauben. Hätte ich gewusst was noch kommt…

Aber kurze Zeit später ging es dann doch los. Ich fand schnell wieder einen guten Tritt. Verkehr war hier nun auch kaum noch vorhanden. Und so fiel es mir nicht schwer, die Auffahrt zu genießen. Nach einiger Zeit durfte man sich durch etliche übereinander gelegte Serpentinen quälen. Ich fühlte mich sofort an letztes Jahr und das Val di Tremola am Gotthard erinnert. Später zog sich die Straße eher in weiten Kurven nach oben und schon bald war auch die Passhöhe zu erkennen. Ich kam noch recht frisch oben an und genoss auch hier wieder eine schöne Aussicht.

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Die raue Bergwelt der Dolomiten. Hier die Aussicht vom Passo Giau

Bisher war ich mit dem geleisteten durchaus zufrieden, noch spürte ich keine Müdigkeit in den Beinen. Es folgte erneut eine schöne kurvenreiche Abfahrt; an die überhöhten Kurven wie bei quaeldich.de beschrieben, kann ich mich aber nicht erinnern. Danach folgte der kurze Gegenanstieg nach Colle Santa Lucia. Und dann begann mein Drama in zwei Akten. Ich landete nach einer kurzen Abfahrt an einer T-Kreuzung. Leider war hier kein Hinweis auf den Passo Fedaia. Mit den anderen Ortsnamen konnte ich auch nichts anfangen. Mein Orientierungssinn entschied sich schließlich nach links abzubiegen und damit weiter bergab zu fahren.

Nach einiger Zeit machte ich mir aber dann erstmals Sorgen. Vom Gefühl her, hätte ich längst in Caprile im Tal sein müssen. Nur wenige Sekunden später sah ich ein Schild an der Straße mit der Aufschrift Alleghe. Jetzt stieg mein Adrenalinspiegel. Ein kurzer Blick in die kleine Karte (die leider nicht sehr detailliert war) bestätigte meinen Verdacht. Ich war anscheinend viel zu weit im Süden gelandet. Hilft alles nichts, dachte ich mir, ich muss zurück. Also die ca. 5 km zurück, diesmal natürlich bergauf. Wieder an der Kreuzung angelangt, war die Entscheidung diesmal einfach, ich versuchte es jetzt nach rechts, weiter bergauf. Aber auch hier wurden die Zweifel mit jedem zurückgelegten Höhenmeter größer. Nach weiteren 5 km Anstieg endlich wieder ein Abzweig mit dem Hinweis Larzonei. Wieder der Blick in die Karte, wieder stieg der Blutdruck. Ich war diesmal viel zu weit im Norden gelandet.

So, jetzt war guter Rat teuer. Ich war an einer T-Kreuzung einmal nach links und einmal nach rechts, je etwa 5 km gefahren und scheinbar trotzdem nicht am Ziel. Nach dem Weg fragen konnte ich hier nicht, es waren weit und breit keine Häuser zu sehen. Ich musste irgendwo einen Abzweig verpasst haben. Mit einem mulmigem Gefühl im Magen, beschloss ich erneut umzudrehen und wieder zurück zur T-Kreuzung zu fahren. Etwa 2 km davor, entdeckte ich dann am Straßenrand ein kleines Schild, das in Fahrtrichtung zeigte und auf dem Passo Fedaia stand. Gott sei Dank, ich fahre zumindest in die richtige Richtung. Warum das Schild aber nicht direkt an der T-Kreuzung angebracht ist, fragte ich mich schon. Ich fuhr wieder an der T-Kreuzung vorbei und kam auch wieder am Schild mit der Aufschrift Alleghe vorbei. Kurze Zeit später war ich in Caprile und überglücklich, endlich wieder auf dem richtigen Weg zu sein.

Das Problem war wohl, dass das Schild mit der Aufschrift Alleghe sich nicht auf die Stadt Alleghe (die sich viel weiter südlich befindet) bezog, sondern auf den hier bereits beginnenden Bezirk Alleghe. Ich war also anfangs auf dem richtigen Weg und hätte nur noch ein paar Meter weiter fahren müssen. Tja, wieder was gelernt. Dummerweise war ich jetzt nicht nur ein bisschen schlauer, ich hatte auch insgesamt ca. 10 km Anstieg und 700 hm mehr in den Beinen, als geplant.

In Caprile begann dann der Anstieg zum Passo Fedaia. Gleich zu Beginn musste eine steile Rampe überwunden werden. Hier wurde mir dann bewusst, dass ich nicht ohne weitere Pause durchkommen würde. Ich hatte mittlerweile nichts mehr zum Essen dabei aber bereits ein leichtes Hungergefühl. Meine Wasservorräte gingen auch zu Neige und meine Beine fühlten sich bereits mächtig schwer an. Mit meiner körperlichen Verfassung ging es jetzt rasant bergab und ich quälte mich mehr schlecht als recht nach Sottoguda. Hier suchte ich mir ein Gasthaus und machte erstmal Pause. Ich gönnte mir ein doppeltes Schinkentoast und füllte meine Wasserflaschen nach.

Wieder einigermaßen bei Kräften, machte ich mich dann auf in die Sottoguda-Schlucht. Auch hier waren schon einige steile Meter zu überwinden. Aufgrund der vielen Wanderer, war hier aber sowieso Vorsicht und langsame Geschwindigkeit angesagt.

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Der Weg durch die Sottoguda-Schlucht, oben die neue Strasse

Nach gut einem Kilometer landete ich dann wieder auf der Straße. Jetzt begann der Spaß richtig. Eine sehr lange und auch sehr steile Gerade ließ meine Geschwindigkeit auf 10 km/h sinken. Trotzdem bildete ich mir noch einen flüssigen Tritt ein. Das Stück ging trotzdem nur sehr zäh zu Ende und mein Schweiß tropfte bereits in Strömen. Endlich war der erste steile Teil geschafft und es wurde für ein paar hundert Meter etwas flacher. Kurz danach, aber die nächste Rampe. Ein Schild mit der Aufschrift 15% trieb mir einen kalten Schauer über den Rücken. Mein Tritt wurde unruhiger, mein Oberkörper begann mehr und mehr zu arbeiten.

Ich wollte hier aber auf keinen Fall anhalten auch wenn der Wunsch nach einer Pause immer größer wurde. Immerhin konnte man sich in den nun folgenden Serpentinen jeweils ein paar Meter „ausruhen“ wenn man sie ganz außen in Angriff nahm. Endlich kam die Passhöhe, in Sicht. Es konnte also nicht mehr weit sein. Dann aber noch mal ein kleiner Schock, wieder ein Schild, wieder 15%. Jetzt musste ich richtig leiden. Ich atmete schwer und auch immer lauter. Ich spürte langsam sogar die Muskeln meines Oberkörpers weil ich mehr am Lenker zog als mit den Beinen zu drücken. Einmal zog ich wohl zu kräftig und das Vorderrad verlor den Bodenkontakt. OK, dachte ich mir, wenigstens scheint es hier wirklich so steil zu sein, wie es sich anfühlt. Doch dann eine Rechtskurve und ich stand unvermittelt auf der Passhöhe.

Ich war glücklich und auch ein bisschen stolz. Meine Königsetappe war zwar noch nicht zu Ende, aber Höhenmeter hatte ich nun keine mehr zu befürchten. Die Passhöhe bot zunächst keine spektakulären Ausblicke und ich war leicht enttäuscht. Wer diesen Pass von der Ostseite fährt, hätte eigentlich mehr verdient. Nach kurzer Pause fuhr ich daher weiter. Kurz nach der Passhöhe passierte man dann aber noch zwei Stauseen. Hier wurde man dann doch noch mit einem netten Ausblick belohnt.

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Blick zurück auf den Stausee und den Passo Fedaia

Zum Abschluss gab es dann noch mal eine tolle Abfahrt. Gleich zu Beginn überholte ich vier Autos und hatte danach freie Fahrt und konnte Vollgas geben. Höchstgeschwindigkeiten hatte ich mir jetzt redlich verdient. Hier bildete ich mir nun aber ein, dass die Kurven überhöht waren. Daher waren auch in Spitzkehren fast 40 km/h möglich. Vielleicht hatte ich aber auch einfach keinen Bock mehr zu bremsen und legte mich mehr in die Kurven als sonst üblich. Gegen Ende wurde die Abfahrt wieder flacher und Gegenwind zwang mich zum Mittreten. Vor Canazei dann wieder Stau. Um 17:30 Uhr war meine Königsetappe in den Dolomiten dann nach 130 km, ca. 3900 hm und 6:30 h Fahrtzeit vorbei.

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4. Tag (Ruhetag: Wanderung auf den Piz Boe)


Heute war nach der anstrengenden Etappe ein Ruhetag angesagt. Aber irgendwie kann man in den Dolomiten bei traumhaftem Wetter keinen richtigen Ruhetag einlegen. Ich hatte vorsorglich für schlechtes Wetter meine Wanderschuhe dabei. Aber was man bei schlechtem Wetter vorhatte, kann bei gutem ja auch kein Fehler sein. Also machte ich mich morgens auf den Weg zur Touristeninfo, holte mir eine Wanderkarte und plante eine kleine Wanderung. Zunächst ging es mit zwei Seilbahnen erst auf den Pecol (1926 m) und von dort weiter auf den Col di Rosc (2383 m). Dort begann ich meine Wanderung. Zunächst ging es ein Stück bergab zum Rifugio Belvedere (2338 m). Anschließend führte der Weg zunächst auf eine kleine Anhöhe und dann hinab zum Passo Pordoi (2239 m).

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Der Blick von der Anhöhe auf das nächste Ziel. Rechts oben der Sas de Pordoi und rechts unterhalb das Geröllfeld und die Pordoi-Scharte
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Während der Wanderung zum Passo Pordoi: Blick auf den Stausee am Passo Fedaia

Vom Passo Pordoi begann dann der Anstieg zur Pordoi-Scharte. Zunächst durfte man sich über grüne Almwiesen empor arbeiten. Das letzte Stück musste dann ein Geröllfeld bezwungen werden. Ich hatte wohl noch die Trittfrequenzen vom Vortag in den Beinen. Jedenfalls war ich ständig nur am überholen und erreichte so viel früher als erwartet die Pordoi-Scharte (2829 m). Von dort hatte man bereits eine tolle Aussicht.

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Der Blick hinaus, aus der Pordoi-Scharte

Mein Plan war nun eigentlich auf den Sas de Pordoi zu laufen und von dort mit der Bahn zurück ins Tal. Aber dann wäre ich viel zu früh wieder zuhause gewesen. Ein kurzer Blick in die Karte und ich hatte eine Extra-Schleife geplant. Nun sollte es auf den Piz Boe (3152 m) gehen. Zunächst ging es fast flach und über Gestein in einer weiten Rechtskurve Richtung Gipfel. Später zog sich der Weg ziemlich direkt nach oben. Einige Stellen waren mit Seilen gesichert und man musste ab und zu sogar seine Hände gebrauchen, um vorwärts zu kommen.

Insgesamt war der Aufstieg aber kein Problem, na ja zumindest wenn man nicht grad das erste Mal im Hochgebirge wandert. Auch hier legte ich ein ordentliches Tempo vor. Von Ruhetag konnte man jetzt wohl nicht mehr sprechen. Aber ich war lange nicht mehr gewandert und darum machte es mir einfach zuviel Spaß und ich konnte mich nicht bremsen. So erreichte ich zügig den Gipfel.

Oben erwartete mich eine unglaubliche Aussicht, wie ich sie selten gesehen hatte. Ein Rundblick von fast 360° war möglich, Berge soweit das Auge reicht.

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Nur eine von vielen tollen Aussichten vom Piz Boe

Ich machte oben eine längere Pause, schon alleine deshalb um möglichst viel dieser faszinierenden Bergwelt als Erinnerung mit meiner Digi-Cam festzuhalten. Doch irgendwann musste ich auch mal wieder zurück. Also machte ich mich auf den Rückweg hinab zur Pordoi-Scharte (2829 m). Von dort ging es dann relativ zügig hinauf zum Sas de Pordoi (2950 m). Dort genoss ich noch mal eine schöne Aussicht auf den Rosengarten ehe es mit der Bahn wieder hinab zum Passo Pordoi ging. Von dort ging es auf dem gleichen Weg wie am Morgen über die Anhöhe zum Col die Rosc und mit den beiden Seilbahnen zurück ins Tal.

Für einen Ruhetag hatte ich zwar reichlich viel Laktat in meinen Beinen angesammelt, trotzdem kam ich abends glücklich und zufrieden in unserer Ferienwohnung an. Leider nicht alleine, zwei Blasen an den Versen hatten sich dazugesellt. Ich war eben in der Tat schon lange nicht mehr wandern gewesen.

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5. Tag (Passo Sella, Grödnerjoch, Passo Campolongo, Passo Pordoi)


Für den fünften Tag in den Dolomiten war schlechteres Wetter, teilweise mit Gewittern vorhergesagt. Ich schlief daher etwas länger als gewohnt und warf erst um 8:00 Uhr einen ersten Blick aus dem Fenster. In der Tat waren tiefhängende Wolken zu sehen. Also war erstmal in Ruhe frühstücken angesagt. Ich schaute noch ein bisschen Olympia und überlegte mir, wohin mich mein Rad heute tragen sollte. Aufgrund des schlechteren Wetters und der Tatsache, dass ich bereits vier anstrengende Tage hinter mir hatte, entschied ich mich für die kurze Sella-Runde. Um 10:20 Uhr machte ich mich also auf den Weg zum ersten Pass, dem Sellajoch.

Trotz der merklich müden Beine, lief das Sellajoch ganz gut. Dies lag wahrscheinlich vor allem daran, dass der Anstieg sehr gleichmäßig und nicht sonderlich steil war. Erst nach dem Abzweig zum Pordoi-Pass wurde es etwas steiler. Der Verkehr hielt sich heute überraschend in Grenzen. Vielleicht war es sogar ein Vorteil, erst so spät gestartet zu sein. Die folgende Abfahrt war schön und flüssig und hatte bis auf das letzte Stück auch einen guten Belag zu bieten.

Als zweiter Pass des Tages, stand das Grödner Joch auf dem Programm. Hier hatte man zu Beginn noch einen schlechten Straßenbelag, der aber mit der Zeit besser wurde. Zu Beginn noch recht steil, pendelte sich die Steigung schnell auf angenehme Prozentwerte ein. Nach etwas mehr als zwei Kilometer dann sogar ein fast ebenso langes Flachstück. Von hier konnte man zwischen den tief hängenden Wolken bereits die letzten wieder etwas steileren Serpentinen und die Passhöhe erkennen.

Aussicht Groedner Joch.jpg
Das Flachstück und der Beginn der letzten Serpentinen am Grödner Joch

So dauerte es nicht lange, und ich hatte den zweiten Pass des Tages bezwungen. Es folgte die Abfahrt nach Corvara. Anfangs musste man sich noch durch viele Serpentinen bremsen, später wurde die Fahrt durch eher weite Kurven wesentlich rasanter. In Corvara war dann wieder ordentlich Trubel angesagt. Bereits bei der Ortsausfahrt sah ich vor mir drei italienische Fahrer. Ich beschloss, mich erst einmal hinten einzureihen. Schon nach kurzer Zeit konnte einer dem Tempo der anderen Zwei nicht mehr folgen und ich überholte ihn. Die beiden anderen hielten kurze Zeit später an und so überholte ich auch sie.

Schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, dass einer der beiden mir nun aber im Windschatten folgte. Der Pass war sehr angenehm zu fahren. Es gab praktisch keine richtig steilen Passagen und zwischendrin sogar immer wieder kurze flachere Stücke. Nach einiger Zeit hörte ich, dass mein italienischen Mitstreiter langsam schwer zu atmen begann. Ich beschloss daher, mein eigentlich eher gemächliches Tempo beizubehalten, um ihn nicht zu verlieren. Kurz vor der Passhöhe setzte dann leichter Nieselregen ein, aber nach ein paar Tropfen war der Spuk schon wieder vorbei. So erreichten wir beide noch trocken die Passhöhe.

Obwohl diese fast keine Aussicht bot, legte ich erstmal eine kurze Pause ein und aß eine Kleinigkeit. Inzwischen war auch der zweite Italiener oben angekommen. Sie verabschiedeten sich kurz von mir und nahmen die Abfahrt nach Arraba in Angriff. Kurze Zeit später fuhr auch ich weiter. Es dauerte nicht lange und ich erreichte Arraba. Dort sah ich auch die beiden Italiener wieder, die gerade ihre Räder ins Auto luden. Ihre Tour war also vorbei. Auf mich wartete nun noch der Anstieg zum Passo Pordoi. Die Strecke war ich zwei Tage zuvor bereits bergab gefahren und daher wusste ich, dass mich ein schöner Anstieg erwartete. Zu Beginn waren es noch sehr wenige Serpentinen, später wurden es immer mehr.

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Während des Anstieges zum Passo Pordoi: Blick auf die vielen Serpentinen der Ostanfahrt

Da der Pass zudem auch nicht sonderlich steil ist, hatte ich fast das Gefühl der Passhöhe entgegen zu fliegen. Mein Tritt war immer noch sehr flüssig. Kein Wunder eigentlich, zwar war dies bereits der vierte Pass, aber ich hatte noch nicht einmal 60 km in den Beinen. Folglich dauerte es auch nicht lange bis ich oben ankam. Die Aussicht hier hatte ich bereits bei besserem Wetter genießen dürfen. Daher hielt ich mich nicht lange auf und stürzte mich in die Abfahrt.

Da ich zunächst freie Fahrt hatte, konnte ich mit gelösten Bremsen ordentlich Spaß haben. Später musste ich immer wieder Autos überholen. Das macht zwar eine Zeit lang auch Spaß, aber ab dem Abzweig zum Sellajoch wird die Straße so unübersichtlich, dass es eigentlich nicht mehr viel Sinn macht. So fügte ich mich meinem Schicksal und fuhr hinter einigen Autos das letzte Stück hinab nach Canazei. Nach 3:20 h reiner Fahrtzeit, 66 km und 2000 hm hatte ich auch diesen Tag ohne Stürze, Defekte oder sonstigen Problemen überstanden. Und nass geworden war ich trotz der widrigen Wettervorhersage auch nicht geworden.

Abends beschloss ich dann endlich auch mal, meinen Beinen das Wundermittel Franzbranntwein zu gönnen. Schließlich wartete am nächsten Tag noch einmal ein ordentliches Stück Arbeit auf mich.

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6. Tag (Karerpass, Seiser Alm, Passo Sella)


Am letzten Tag schaffte ich es noch einmal sehr früh aus den Federn zu kommen. Der Franzbranntwein hatte über Nacht scheinbar gut gewirkt. Ich fühlte zum ersten Mal seit einigen Tagen, keine Müdigkeit in den Beinen. Um kurz nach 8:30 Uhr startete ich daher frohen Mutes meine letzte Tour in Richtung Vigo di Fassa. Trotz der frühen Zeit war auf diesem Teilstück schon wieder viel Verkehr vorhanden. Da es aber leicht bergab ging, störte es mich nicht weiter. Schon bald erreichte ich den Abzweig zum Karerpass und der Verkehr ließ leicht nach. Der Anstieg war ganz gut zu fahren. Zwar war der Straßenbelag nicht immer topp, dafür gab es aber auch keine steilen Rampen zu bewältigen. Teilweise wurde man auch mit netten Ausblicken für die zurückgelegten Höhenmeter belohnt.

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Blick zurück, während des Anstieges zum Karerpass

Die letzten vier Kilometer bis zur Passhöhe waren dann fast flach. Ab dem Karerpass ging es dann zunächst bis zum Abzweig zum Nigerpass auf leicht welligem Terrain weiter. Von dort folgte die kurze Abfahrt zum Nigerpass, bei nun deutlich nachlassendem Verkehr. Die Abfahrt vom Nigerpass war dann sehr anstrengend. Der Belag war schlecht, die Straße steil und aufgrund vieler Kurven oft auch unübersichtlich. Wie anstrengend musste es erst sein, hier rauf zu fahren. Aber genau dieser Herausforderung stellten sich doch einige Radler. Immer wieder begegneten mir Fahrer und ich zollte ihnen zumindest innerlich meinen Respekt.

Nachdem eine 20% - Rampe noch einmal meine Bremsen ordentlich forderte, wurde es dann angenehmer. Der Belag wurde besser und die Straße war auch nicht mehr so steil. Immer wieder durchquerte man nun kleinere Ortschaften. Es folgten sogar kleinere Flachstücke und kurze Gegenanstiege, ehe es mit einer rasanten Abfahrt mit weiten Kurven zum Abzweig zur Seiser Alm weiterging. Den folgenden 5 km langen, leichten Anstieg nach Völs, musste ich leider wieder mit etlichen Autos teilen.

Danach ging es auf fast ebener Straße weiter nach Völs. Dort landete ich dann erstmal auf einem Parkplatz, weil ich der Beschilderung zur Seiser Alm-Bahn folgte, anstatt weiter geradeaus Richtung Kastelruth zu fahren. Kurze Zeit später und inzwischen auf dem richtigen Weg, kam aber dann der Abzweig zur Seiser Alm. Der Anstieg verlief zunächst viel im Schatten. Das war auch gut so, denn der Anstieg zieht sich sehr gleichmäßig und ohne flache Stücke mit über 8% dem Gipfel entgegen. Dafür war man hier fast unter sich, da die Straße für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist.

Nach einiger Zeit verließ ich den schützenden Wald und war nun der Sonne ausgesetzt. Als Entschädigung gab es teilweise tolle Ausblicke auf die umliegenden Berge. So wirklich frisch war ich inzwischen nicht mehr. Außerdem machte sich nun auch leichter Hunger breit. So erreichte ich dann schon leicht angeschlagen Compatsch, den ersten Ort auf der Seiser Alm. Hier oben war ordentlich Trubel angesagt, kein Wunder, schließlich führt ja auch eine Seilbahn nach oben. Ich machte erst mal Pause, stillte meinen Hunger und genoss die schöne Aussicht.

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Die Aussicht von der Seiser Alm. Grüne Wiesen und im Hintergrund mächtige Berge

Mein Plan sah eigentlich vor, die gleiche Strecke wieder zurückzufahren und über den Panider Sattel wieder Richtung Sellajoch zu gelangen. Meine Recherchen im Internet hatten nämlich ergeben, dass die Seiser Alm für Rennradler eine Sackgasse ist. Ich machte mich also schon wieder auf den Rückweg und kam dabei an einem Informationsbüro vorbei. Ich hätte wahrscheinlich nicht angehalten, aber zu meinem Glück kam gerade eine Mitarbeiterin heraus und wollte sich wohl in die Mittagspause verabschieden. Ich nahm die Chance war und fragte, ob nicht doch ein rennradtauglicher Weg ins Grödnertal existierte. Zu meiner freudigen Überraschung, erhielt ich die Auskunft, dass erst vor kurzem ein Weg neu asphaltiert wurde.

Letztlich war ich ja in den Dolomiten, um Pässe zu erklimmen und Höhenmeter zu überwinden. Aber an diesem Tag war ich dann doch froh, dass ich durch diesen glücklichen Zufall auf den Panider-Sattel und ca. 400 hm verzichten konnte. Auf der folgenden Abfahrt war dann allerdings höchste Konzentration geboten (würde jedenfalls Jogi Löw sagen). Der Weg war steil, hatte ca. alle 50-100 Meter Längsrillen im Asphalt und war teilweise sehr unübersichtlich. Inzwischen ist die Abfahrt im Online-Tourenplaner von quaeldich.de auch enthalten. Die Wegbeschreibung habe ich in der Pässeliste als Kommentar hinterlegt. Wegbeschreibung

In St. Ulrich angekommen, begann dann der lange Anstieg zum Sellajoch. Anfangs hielt sich die Steigung noch sehr in Grenzen, was man vom Verkehr hier leider nicht sagen konnte. Kurz nach Wolkenstein wurde es dann heftiger. Fast 4 km mit 8% ließen mich die letzten Körner verbraten. Mittlerweile hatte ich auch wieder tierischen Hunger. Ich hätte natürlich anhalten und etwas essen können. Aber aus irgendeinem Grund wollte ich unbedingt weiter fahren und zumindest noch bis zum Abzweig Grödnerjoch kommen.

Manchmal macht es eben auch Spaß, den Körper zu testen, wie lange er sich dem Hunger widersetzen kann. In diesem Falle, lange genug. Kurz zuvor wurde es wieder etwas flacher und so schaffte ich es bis zum Abzweig Grödner Joch. Viel weiter hätte ich allerdings nicht fahren wollen. Also machte ich erstmal eine Pause und aß meine letzte Verpflegungsreserve, ein einfaches Schinkenhörnchen. Aber in diesem Moment, so kurz vor dem Hungerast, war es das beste Schinkenhörnchen, das ich je gegessen hatte!

Frisch gestärkt machte ich mich dann auf, auch die letzten Kilometer bis zum Sellajoch in Angriff zu nehmen. Ich war natürlich alles andere als fit. Mein Magen war zwar gefüllt, aber bis die Kohlenhydrate eines Schinkenhörnchens im Energiekreislauf des Körpers auftauchen, vergeht eben eine gewisse Zeit. Meine Geschwindigkeit sank teilweise unter 10 km/h, was aber auch daran lag, dass es wieder steiler wurde. Außerdem absolvierte ich hier die letzten Höhenmeter meines Dolomiten-Urlaubes. Grund genug also, jeden einzelnen noch mal zu genießen. Zunächst erreichte ich das Rifugio Passo Sella und hielt es aus der Ferne bereits für die Passhöhe.

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Während des Anstiegs zum Sellapass: Der Blick auf das darunter liegende Rifugio Passo Sella

Von dort gab es dann noch einige Serpentinen zu meistern, ehe ich endgültig den Gipfel erreichte. Dort war die absolute Hölle los. Ich fahre zwar erst seit drei Jahren in den Alpen, aber so etwas hatte ich noch nicht erlebt. Die Passhöhe war quasi bis auf den letzten Meter gefüllt mit Autos, Touristen, Bussen, Wanderern und anderen Rennradlern. Aus Richtung Canazei quälte sich ein Bus durch die Massen, was den Gegenverkehr daran hinderte, die Abfahrt in Angriff zu nehmen. Stau auf einer Passhöhe, so was hatte ich auch noch nicht gesehen.

Für mich sollte sich dies aber als Vorteil erweisen. Ich schlängelte mich an den wartenden Autos vorbei und hatte so die Abfahrt bis zum Abzweig Pordoi-Pass für mich alleine. So hatte ich noch einmal unglaublich viel Spaß. Im unteren Teil der Abfahrt fuhr ich dann wieder auf Autos auf. Hier war es aufgrund der vielen Serpentinen eher schwierig zu überholen und darum versuchte ich es auch gar nicht mehr. In Canazei dann wieder das übliche Bild: Stau! Damit hatte ich nun auch den letzten Tag erfolgreich gemeistert. Nach 116 km, 2700 hm und 5:30 h Fahrtzeit kam ich um kurz nach 15:00 Uhr wieder in Canazei an.


Am nächsten Tag packten wir in aller Ruhe unsere Sachen zusammen und verließen die Dolomiten wieder Richtung Heimat.



Fazit:

Der Urlaub stand insgesamt natürlich unter keinem guten Stern. Die Touren waren allesamt wunderschön, aber ich hätte die Pässe natürlich lieber mit Patrick zusammen bezwungen. Einziger Negativ-Punkt war sicherlich der viele Verkehr auf einigen Strecken. Allerdings waren wir darauf gefasst. Der August ist wohl der Hauptreisemonat der Italiener. Wer die Dolomiten zu einem anderen Zeitpunkt besucht, hat da vielleicht mehr Glück. Die Gegend hat mich dafür absolut überzeugt. Ich bezwang tolle Anstiege mit zahllosen Serpentinen und hatte oben meist eine wunderbare Aussicht. Auch die Möglichkeit von einem einzigen Standort aus, gleich vier anspruchsvolle Rundtouren zu fahren, bieten wohl die wenigsten Orte in den Alpen. Und mit dem Passo Fedaia hatte ich auch eine echte Herausforderung zu überstehen.

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