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1. Alpentour vom 15.07.06 - 21.07.06 in Frankreich

    Tag1 (Rund um den Genfer See)

    Tag2 (Col de la Colombiere, Col des Aravis)

    Tag3 (Col du Mollard, Col de la Croix de Fer)

    Tag4 (Alpe d'Huez)

    Tag5 (Ruhetag - Der Untergang des Floyd Landis)

    Tag6 (Col du Galibier)

    Tag7 (Col de la Madeleine)


1. Tag (Rund um den Genfer See)


Am 15.06.07 war es soweit. Ich startete zusammen mit Patrick meine erste Tour in den Alpen. Wir hatten uns für eine Woche ein Wohnmobil gemietet und wollten auf den Spuren der Profis die Berge der Tour de France beradeln. Als Highlight wollten wir Alpe d'Huez bezwingen und anschließend am gleichen Anstieg das Duell Basso - Ullrich bewundern. Leider wurden beide zwei Tage vor Start der Tour ausgeschlossen. Das verhagelte uns erst einmal ziemlich die Laune. Ich hatte im Vorfeld ein umfangreiches Roadbook erarbeitet. Jeder einzelne Tag war geplant, alle Touren mit km- und hm-Angaben berechnet, Höhenprofile erstellt, Auffahrtsbeschreibungen von quaeldich.de und Kartenausdrucke von viamichelin.de. Unser Weg sollte uns über den Genfer See im Norden bis zum Col d`Izoard im Süden führen. Am Ende kam es anders, aber mit Sicherheit nicht schlechter.

Alles begann am Samstagmorgen mit dem Packen des Wohnmobiles. Wie immer wenn ich auf Reisen gehe, bestand ein wesentlicher Bestandteil des Gepäckes aus Nahrungsmitteln. Ansonsten hatten wir nicht viel dabei. Patrick hatte zur Sicherheit gleich zwei Räder dabei. Sein Crossbike von Epple sowie seinen Cannondale-Renner, den er sich erste einige Monate zuvor ziemlich spontan zugelegt hatte.

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Unser Zuhause für die nächsten 7 Tage

Trotz des neuen Rades, war seine Vorbereitung eher dürftig. Da er im Vorfeld mit Knieproblemen zu kämpfen hatte und er im Gegensatz zu mir nicht bei Minusgraden Rad fährt, standen lediglich ca. 1000 km auf der Habenseite. Einen richtig langen Anstieg war er auch noch keinen gefahren. Ich selbst hatte erst 9 Monate zuvor ein Stevens-Crossbike gekauft und mit dem Radfahren begonnen. Da ich aber den Winter über hoch motiviert war und dem kalten Wetter ein ums andere mal trotzen konnte, kamen immerhin über 2000 km zusammen. Allerdings hatte die Motivation bedingt durch die drohende Absage unserer Tour wegen Patricks Knieschmerzen in den Sommermonaten arg gelitten. Im Mai und Juni war ich lediglich je 200 km gefahren. Wie sich später herausstellen sollte, war es außerdem nicht sinnvoll, im "Training" immer nur drauf los zu fahren und am Ende jeder Tour fix und fertig zu sein. Die Worte Grundlagenausdauer und Fettverbrennung waren mir damals leider noch genauso unbekannt wie Alpe d'Huez und der Galibier.

Unsere Fahrt verlief ohne Zwischenfälle, von einigen kleinen Staus abgesehen. Und so erreichten wir ziemlich pünktlich um 15:30 Uhr Lausanne am Genfer See. Hier wollten wir eine kleine Runde um den Genfer See drehen, sozusagen als Prolog zum Einrollen. Die Fahrt um das östliche Ufer nach Evian-Les-Bains war leider nicht ganz so schön, wie erhofft, aber grandiose landschaftliche Eindrücke sollten wir noch genügend sammeln.

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Montreux am Genfer See

Nach ca. 80 km, 3 Stunden Fahrt und 3 kleineren Pausen erreichten wir schließlich Evian-Les-Bains. Lt. meinen Internetrecherchen sollten dort stündlich Fähren nach Lausanne fahren. Dem war leider nicht so. Es fuhr nur noch eine einzige Fähre, um 22:00 Uhr. Das sollte unsere Planung gleich mal ziemlich durcheinander wirbeln. Denn eigentlich war abends noch die Weiterfahrt nach Sallanches geplant. Doch wie sich schnell herausstellte, war das unser geringstes Problem. Patrick, der an diesem Tag für die Finanzen zuständig war, hatte zu wenig Geld eingesteckt. So hatten wir letztlich nicht nur 3 Stunden Zeit übrig sondern auch noch 10 Euro zu wenig Geld in den Taschen. Nachdem wir über unsere Möglichkeiten wieder zum Auto zurückzukommen nachgedacht hatten, entschieden wir uns schweren Herzens fürs Betteln! Patrick entschied sich schließlich ein junges asiatisches Geschwisterpaar anzusprechen. Eine gute Wahl wie sich später zeigte. Nachdem die beiden mit ihren Eltern Rücksprache gehalten hatten, war der Deal perfekt. Unsere Überfahrt war gerettet. Da Patrick auf der Fähre dann noch seinen Charme spielen ließ und uns insgesamt auch nicht 10 sondern nur 5 Euro fehlten, wurden uns diese kurzerhand erlassen.

In Evian-Les-Bains angekommen, entschlossen wir uns erst mal für die Nahrungsaufnahme und erst danach nach Sallanches weiterzufahren. Dummerweise waren wir keine Proficamper und so fehlte uns das Feuerzeug für den Gasgrill. Nachdem ich gleich zweimal ein solches besorgen musste (einmal war das Feuer vom Herd ausgegangen) kamen wir dann doch noch zu unseren Spaghetti. An eine Weiterfahrt war dann aber nicht mehr zu denken. Um 0:30 Uhr legten wir uns schließlich ziemlich müde schlafen.

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2. Tag (Col de la Colombiere, Col des Aravis)


Am nächsten Tag waren wir trotzdem frühzeitig wach und fuhren weiter nach Sallanches. Wir parkten auf einem Supermarktparkplatz, frühstückten gemütlich, packten unsere Sachen zusammen und machten uns bei herrlichem Wetter um 11:30 Uhr auf zu unserer ersten Alpentour. Leider hatte ich keinen Adapter für meinen Rasierapparat dabei und so startete ich nicht nur mit unrasierten Beinen sondern auch mit unrasiertem Gesicht. Wir waren noch nicht einmal richtig eingeklinkt, da klinkte sich Patricks HAC4 schon wieder aus. Batterie leer und keine Ersatzbatterie dabei. Also sollten wir unsere erste Tour eben ohne Aufzeichnung fahren. Als erster Pass stand der Col de la Colombiere auf dem Programm. Sicher keiner der schwersten Alpenpässe aber für mich erwies er sich an diesem Tag für schwer genug. Ich hatte mir erst einen Monat zuvor Klickpedale gekauft und war wohl von einem runden Tritt noch weiter entfernt als Armstrong von einem sauberen Toursieg. Trotz einer kleinen Pause spürte ich daher 4 km vor dem Ziel, dass meine Waden immer dicker wurden. Dafür fühlte sich mein Magen immer leerer an. 1 km vor dem Ziel kapitulierte ich dann. Meine Beine zitterten vor Hunger dermaßen, dass ich Angst hatte vom Rad zu kippen. Obwohl ich die Passhöhe bereits sehen konnte, war an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken. Mein erstes Duell mit einem Alpenpass endete mit technischem KO in Runde 12! Gut nur dass das Hungergefühl so schnell es bei mir manchmal kommt auch wieder verschwindet wenn man ordentlich isst. Also schnell ein belegtes Brötchen und einen Riegel eingeschoben und ich erklimmte doch noch meinen ersten Alpengipfel.

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Die letzten Meter am Col de la Colombiere - werde ich wohl nie vergessen

Anschließend stürzten wir uns in die Abfahrt nach St. Jean de Sixt um den Anstieg zum Col des Aravis anzugehen. Hier sollte zum ersten und einzigen Mal ein Regenschauer unsere gute Laune trüben. Doch wir fanden schnell einen kleinen Unterschlupf und nach 15 min war der Spuk vorbei. Ohne wirklich nass geworden zu sein, fuhren wir weiter und erreichten den Gipfel.

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Die Straße am Col des Aravis, noch nass aber im Hintergrund schon wieder Sonne

Ab hier sollte es eigentlich ein Kinderspiel werden. Bis nach Sallanches sollte es nur noch bergab gehen. Da wir aber auf der Abfahrt nach Flumet eine Abzweigung verpassten und wir bei Megeve noch eine Umleitung fahren mussten, kamen nochmals ca. 7 km bergauf und somit etliche Höhenmeter dazu. Ziemlich kaputt und heilfroh unser Wohnmobil zu sehen, erreichten wir nach ca. 105km und 2300hm um 19:00 Uhr wieder Sallanches. Noch am selben Abend fuhren wir weiter nach St. Jean de Maurienne, wo wir direkt vor einem Camping-Platz unser Wohnmobil parkten.

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3. Tag (Col du Mollard, Col de la Croix de Fer)


Am nächsten Tag beschlossen wir, unser Wohnmobil auf dem Camping-Platz abzustellen um endlich mal richtig zu duschen. Es sollte eine weise Entscheidung sein. Ich konnte mich endlich mal rasieren und Patrick traf einen Radler aus Karlsruhe (Gruß an Theo!), der ihm nicht nur Batterien für seinen HAC4 schenkte, sondern ihm gleich noch erklärte, wie man diese wechselt. Das ganze kostete uns aber alles viel Zeit und so starteten wir erst in der Mittagssonne unsere zweite Alpentour. Und wieder sollte der Tag mit einer Überraschung beginnen. Da die Auffahrt zum Col de la Croix de Fer gesperrt war, mussten wir einen Umweg über den Col du Mollard in Kauf nehmen. Trotz des schweren Schlussteils am Col de Croix de Fer mit ca. 8% über 7 km, fühlte ich mich an diesem Tag weitaus besser als noch am Colombiere. Oben wurden wir dann noch mit einer tollen Aussicht bei wieder einmal wunderschönem Wetter belohnt.

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Blick vom Col de la Croix de Fer zum Col du Glandon

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Fantastische Aussicht: Blick Richtung Süden vom Col de la Croix de Fer

Die Abfahrt über den Col du Glandon sorgte dann für einen krönenden Abschluss. Ein steile Straße und ein toller Straßenbelag sorgten für Höchstgeschwindigkeiten. Patrick wäre diese allerdings fast zum Verhängnis geworden, weil ein entgegenkommendes Wohnmobil fast die ganze Straße in Anspruch nahm. Nach knapp 80 km und über 2.000 hm erreichten wir spät abends wieder den Camping-Platz. Dort gönnten wir uns dann zusammen mit unserem Karlsruher Batterie-Spender noch Bier und Pizza; wir wandeln eben nur auf den Spuren der Profis, sind aber keine.

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4. Tag (Alpe d'Huez)


Heute stand der absolute Mythos der Tour auf dem Programm. Kein anderer Anstieg steht mehr für die Qualen der Tour als Alpe d'Huez. Hier wurden Legenden geboren und Schicksale besiegelt. Es gibt sicher traditionsreichere Bergankünfte und schwerere Anstiege sowieso. Und trotzdem Alpe d'Huez ist das Mekka des Radsports. Nur wenige Stunden bevor der Tour-Tross wieder einmal eine Bergankunft hier feiern konnte, wollten wir den Berg erklimmen. Patrick hatte mindestens genauso viel Respekt wir Vorfreude auf Alpe d'Huez. Wir beide spürten mittlerweile unsere Beine, da half auch mein Wundermittel das auf keiner Dopingliste steht (Franzbranntwein) nicht weiter. Um 9:00 Uhr starteten wir mit dem Wohnmobil und fuhren über den Col du Glandon Richtung Bourg d'Oisans. Ca 15 km davor parkten wir unser Wohnmobil am Lac du Verney und rollten gemächlich nach Bourg d'Oisans. Schon hier war die Hölle los. Etliche Radfahrer machten sich auf, den vielleicht legendärsten Anstieg der Tour de France zu erklimmen.

Anstieg Col du Glandon.jpg
Die Auffahrt zum Col du Glandon (heute leider nur mit dem Wohnmobil bezwungen)

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Das Ziel aller Träume. Alpe d'Huez

Wir starteten dieses Abenteuer um 11:30 Uhr. Mit einem Puls von ca. 150 meisterten wir die ersten Kehren, immer wieder angefeuert von etlichen Zuschauern. Absolutes Highlight war dann die so genannte Holländer-Kurve. Das Spalier der Zuschauer wurde immer enger, die Anfeuerungen immer lauter. Spätestens hier war man kein Hobbyfahrer mehr sondern schlüpfte in die Rolle von Klöden, Landis oder Rasmussen. Mir wurde sogar von einem neben mir her joggenden Mann ein nass getränkter Schwamm angeboten, den ich gerne annahm. Tiefer kann man das Tour-Feeling nicht verspüren. Leider wurde es ca. 4 km vor dem Gipfel jäh gestoppt. Wir hatten am morgen wohl zu lange getrödelt. Nun wollte man uns nicht mehr weiterfahren lassen. Die Werbekarawane war wohl bald im Anmarsch und wir durften nur noch zu Fuß weiter. Nachdem wir uns von diesem Schock erholt hatten, beschlossen wir unser Rad einige 100 Meter querfeldein zu schieben um so auf eine andere Straße zu gelangen die ebenfalls nach Alpe d'Huez führt. So erreichten wir dann schließlich doch noch auf dem Rad den Gipfel. Trotzdem konnten wir eine gewisse Traurigkeit nicht verbergen. Zum einen mussten wir unseren Plan wieder ein Stück nach unten zu fahren und die Profis dann anzufeuern aufgeben. Zum anderen hatten wir Alpe d'Huez nicht an einem Stück und nicht auf der Originalroute bezwungen. Patrick und ich beschlossen, dass dies nicht unser letztes Kapitel in der Geschichte Alpe d'Huez sein sollte. Man sieht sich schließlich immer zweimal im Leben, mindestens.

So verfolgten wir zunächst die gigantische Werbekarawane und später den Verlauf der Etappe ca. 200 m vor dem Ziel auf einer riesigen Leinwand, ehe wir zum Schluss dann live dabei waren, wie sich Frank Schleck erstmals einen großen Namen machte. Andreas Klöden kam zusammen mit Floyd Landis und Stefano Garzelli kurz danach ins Ziel und untermauerte seine starke Form.

Später erwischte ich noch Erik Zabel mit meiner Digitalkamera, ehe wir uns in die abenteuerliche Abfahrt stürzten.

Werbekarawane/Tour de France
Die Werbekarawane rückt an

Sieger Schleck in Alpe d'Huez 2006.jpg
Erster! Frank Schleck macht sich unsterblich

Erik Zabel
Irgendwann kommen sie alle - auch Zabel hat's geschafft

Radsportvolk Alpe d'Huez
Das Radsportvolk wartet auf die Freigabe der Strecke

Jetzt war es von Vorteil, dass wir oben am Ziel standen. Wir konnten relativ problemlos dieselbe Straße die wir gekommen waren wieder zurückfahren. Dort wo sich beide Straßen treffen, hielten die Offiziellen den ganzen Radfahrer-Tross erstmal zurück, damit die Teamfahrzeuge möglichst schnell nach unten kamen. Wir standen jedoch ziemlich am Anfang der Schlange und so wurde die anschließende Weiterfahrt zum reinsten Vergnügen, wenn auch nicht ganz ungefährlich. Ich schätze mal ich werde nie wieder auf knapp 10 km so viele Wohnmobile, Fußgänger und andere Radfahrer überholen wie an diesem Tag auf der Abfahrt von Alpe d'Huez.

Auf der flachen Weiterfahrt von Bourg d'Osians zum Stausee veranstaltete ich mit Patrick noch ein kleines Teamzeitfahren und so waren wir am Abend dann trotz der kurzen Etappe doch ein bisschen müde. Abends überzeugte uns Theo dann noch, auf dem Camping Platz zu bleiben. Anstatt mit dem Wohnmobil weiter Richtung Col d'Izoard zu fahren, beschlossen wir die Mutter aller Pässe in Frankreich den Col du Galibier direkt von St. Jean de Maurienne aus zu fahren. Und für den Schlusstag sollte auch noch der Col de la Madeleine in unsere Pässeliste aufgenommen werden.

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5. Tag (Ruhetag - Der Untergang des Floyd Landis)


Heute stand unser erster und einziger Ruhetag auf dem Programm. Der Camping Platz in St. Jean de Maurienne erwies sich wieder als gute Wahl. Denn die Tour sollte heute direkt durch den Ort fahren ehe es auf den Schlussanstieg nach La Toussuire gehen würde. Wir schliefen erstmal etwas länger, ehe wir gemütlich frühstückten. Danach fuhr ich ins örtliche Tourismusbüro und informierte mich wann und wo der Tourtross vorbeikommen sollte. Nach dem Mittagessen schauten wir dann die Tour zunächst im Fernsehraum des Camping-Platzes. Während sich die Profis auf der letzten Abfahrt befanden, verließen wir den Camping Platz, schwangen uns auf unsere Räder und fuhren ca. 500 m durch den Ort bis zum Schlussanstieg der Etappe. Dort sahen wir dann die Profis.

Sieger Rasmussen in La Toussuire 2006.jpg
Rasmussen holt sich am Schlussanstieg von La Toussuire das Bergtrikot und trägt es bis Paris

Verfolgergruppe am Schlussanstieg La Toussuire 2006.jpg
Die Favoriten am Schlussanstieg von La Toussuire - noch mit Floyd Landis in Gelb

Nachdem das Feld an uns vorüber war, flitzten wir schnell wieder auf den Camping-Platz und verfolgten das Finale wieder vor dem Fernsehen.

Dort wurden wir Zeuge vom wohl grausamsten Hungerast in der Historie der Tour de France. Hätte die spätere Geschichte Floyd Landis nicht als Dopingsünder entlarvt, ich hätte heute noch Mitleid mit ihm. Unvergessen der Moment, als seine stärksten Verfolger ihn einfach stehen ließen. Fahrer die bereits abgehängt waren, flogen einer nach dem anderen an ihm vorbei während er förmlich am Berg zu stehen schien. Auf dem 17 km langen Schlussanstieg verlor er über 8 Minuten auf Klöden und Co. Abends kochte uns Patrick noch ein Ratatuille (obwohl es die Franzosen wohl nicht so nennen würden) und nach ein paar Bierchen legten wir uns zufrieden schlafen.


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6. Tag (Col du Galibier)


Wir schafften es endlich einmal, wirklich pünktlich los zu kommen. Bereits um 9:00 Uhr fuhren wir Richtung St. Michel de Maurienne um über den Col du Telegraph das Dach unserer Tour, den Col du Galibier zu erreichen. Heute war ich derjenige, der ein wenig nervös war. Unzählige Male hatte ich seid Ende der 80er Jahre am Fernsehen verfolgt, wie sich die Profis an diesem Anstieg quälten. Irgendwann entstand der Wunsch, auch einmal bei der Tour de France zuzuschauen. Nie hätte ich jedoch geglaubt, dass ich einige Jahre später selbst diesen Gipfel mit dem Rad erklimmen sollte. Doch zunächst galt es, den Col du Telegraph zu erreichen. Patrick fuhr wie die meiste Zeit voran. Unglaublich wie er die bisherigen Strapazen weggesteckt hatte und wie gut er sich in den Bergen fühlte. Er selbst hätte nicht geglaubt, dass er mit dem geringen Trainingsaufwand und der Tatsache bisher keinen einzigen langen Anstieg gefahren zu sein, so gut zurecht kommen würde. Und es schien von Tag zu Tag besser zu laufen. Am Telegraph wurde er gegen Ende immer schneller. Ich hatte Mühe das Hinterrad zu halten. Eigentlich eine ziemlich bescheuerte Idee gerade an diesem Berg solch ein Tempo zu fahren, schließlich wartete mit dem Galibier noch unserer härteste Herausforderung auf uns. Aber hierüber konnte ich mir nun keine Gedanken machen. Ich durfte keinen Tritt auslassen. An diesem Berg hatte ich dann plötzlich auch Verständnis für Jan Ullrich. All die Jahre hatte ich mich gefragt, warum er nicht wenigstens einmal einen Angriff versucht hatte. Stattdessen sah man ihn oft nur am Hinterrad von Lance Armstrong. Aber als ich am Telegraph an Patricks Hinterrad hängte, wurde mir schlagartig klar warum. Ich fuhr hier am absoluten Limit. Ein Angriff fahren? Undenkbar. Ich wäre nicht einmal auf gleiche Höhe gekommen. Die letzten Meter hörte man es nur noch klicken. Patrick schaltete einen Gang nach oben, ich auch, noch mal Patrick und ich hinterher. So erreichten wir dann im Eiltempo nach gut einer Stunde völlig kaputt den Col du Telegraph. Hier oben gönnten wir uns dann erstmal eine lange Pause. Es folgte die kurze Abfahrt nach Valloire und der Anstieg zum Galibier. Zunächst zieht sich der Anstieg noch eher gemächlich in einem Tal entlang nach oben. Doch an einem kleinen Gasthaus macht die Straße eine Rechtskurve und der Spaß beginnt. Wir füllten noch mal unsere Wasserflaschen und fuhren dann weiter. Obwohl wir uns bereits auf fast 2000 Meter Höhe befanden und schon etliche Kalorien verbraten hatten, fühlte ich mich auf diesem Streckenabschnitt so gut wie noch nie. Ich fuhr vor Patrick und hatte ständig das Gefühl von hinten geschoben zu werden. Keine Anstrengung war zu spüren, meine Lunge schien unendlich viel Luft aufnehmen zu können. Unmengen von Endorphinen durchflossen meinen Körper. Nie hätte ich gedacht, so spielerisch den Galibier zu beradeln. Diese Gefühle sind mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben. Natürlich war dieser Zustand nicht von Dauer. Als wir kurz vor dem Scheiteltunnel ankamen und ich sah was mir noch bevorstand, beschloss ich Patrick ziehen zu lassen und meinen eigenen Rhythmus weiter zu fahren.

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Die Auffahrt zum Galibier bis zum Scheiteltunnel

Trotzdem war ich schnell genug ein italienisches Gruppetto zu überholen und auf Abstand zu halten. Die letzten Meter hatten es dann noch mal in sich. Ich setzte mit Sicherheit 3-4 mal zu einem Endspurt an, nur um dieses Vorhaben nach ein paar schnellen Tritten wieder aufzugeben. Hier oben spürte man deutlich, dass die Luft dünner wurde. Trotzdem erreichte ich nach fast 2 Stunden müde aber stolz den Col du Galibier. Ich beschloss wie auch am Croix de Fer noch barfuss ein paar Höhenmeter zurückzulegen und erklimmte so den eigentlichen Gipfel des Galibiers. Hier hatte ich eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge und die beiden atemberaubenden Auffahrten.

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Die Südauffahrt des Galibiers - ist nächstes Mal fällig

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Auf dem Gipfel des Galibiers. Diese Bank ist wohl selten belegt.

Anschließend ging es in einer rasanten Abfahrt wieder zurück. Es ist immer wieder ein grandioses Gefühl mit 70 Sachen einen Berg hinunterzurasen, den man zuvor in mühevoller Arbeit erklommen hat. Ich kann es in solchen Momenten manchmal kaum fassen, dass ich mir jeden einzelnen Höhenmeter vorher selbst erarbeitet habe. Und würde man einen Pass erst hinunter fahren, würde ich in der Hälfte der Fälle wahrscheinlich jeden für bekloppt halten, der behauptet, dass man den gleichen Weg auch hinauf fahren kann. Unten angekommen konnte Patrick mal wieder nicht widerstehen und verwandelte unsere Cool-Down Phase in ein Zeitfahren. Trotz allem kamen wir nach ca. 100 km und 2500 hm überglücklich in St. Jean de Maurienne an.

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7. Tag (Col de la Madeleine)


Der letzte Tag unseres Urlaubes stand heute an. Obwohl bei weitem nicht alles nach Plan verlaufen war, konnten wir jetzt schon ein absolut positives Fazit ziehen. Wir hatten fantastisches Wetter, keinerlei Defekte oder Stürze, hatten alle Touren gut überstanden und so jede Menge toller Erlebnisse gesammelt. Vielleicht lag es daran, dass Patrick an diesem letzten Pass voller Euphorie in die Pedale trat. Erinnerungen wurden wach an Lance Armstrong und sein Discovery-Channel-Express. Ich glaube es war die Tour 2005 als es zum Schlussanstieg nach Courchevel ging. Ich hatte mich gefreut oder vielmehr gehofft, dass sich eine Allianz gegen Armstrong bilden würde. Um alles in der Welt musste verhindert werden, dass er als erster Radprofi 7 mal die Tour gewinnt. Doch dann kam es anders. Armstrong formierte bereits kurz vor dem Anstieg seine Mannen um sich und heizte mit einem mörderischen Tempo in den Berg. Hinten fiel einer nach dem anderen ab, so schnell konnten die Reporter gar nicht die Namen nennen. Die Tour war vorüber bevor sie richtig begonnen hatte. So wie Ullrich und Konsorten sich damals gefühlt haben müssen, fühlte ich mich nun am Madeleine. Patrick schlug ein irres Tempo vor und ich fragte mich ernsthaft, ob er wusste an welchem Berg er hier fuhr. 20 km und 1500 hm sind schließlich kein Hügel den man auf dem großen Blatt durchdrückt. Ich hätte ihn ja fragen können, aber dazu hätte ich ein zwei Atemzüge auslassen müssen, das war nicht drin. Der Puls stieg schneller als die zurückgelegten Höhenmeter und bereits nach ein paar Kilometern resignierte ich. Es war der letzte Berg und wir würden die gleiche Strecke wieder runterfahren, es sprach also nichts dagegen getrennt zu fahren. Als ich langsam aber sicher sein Hinterrad verlor wollte ich ihm noch zurufen dass er nicht warten soll, aber auch hierzu fehlte mir die Luft. Er würde schon merken wenn das gequälte Atmen immer leiser werden würde. So ließ ich ihn also ziehen und bald verschwand er aus meinen Augen. Ich beschloss, ein für mich angenehmes Tempo zu fahren und diesen letzten Pass noch einmal zu genießen. Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichte ich schließlich den Gipfel. Patrick war ca. 10 min vor mir angekommen und hatte sich noch einmal richtig verausgabt. Der Col de la Madeleine war sicher ein würdiger Abschluss. 20 km bergauf ohne wirkliche Flachpassage auf denen man sich ein bisschen erholen kann wollen erstmal bezwungen werden.

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Die letzten Meter am Col du Madeleine. Leider auch die letzten Höhenmeter unseres Urlaubes

So genossen wir noch mal die Aussicht ebenso wie die rasende Abfahrt und kamen schließlich nach 60 km und 1600 hm wieder in St. Jean de Maurienne an. Der Urlaub war zu Ende. Noch am selben Tag packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg nach good old Germany, um einige Kilo leichter dafür um etliche Erinnerungen reicher! Und schon an diesem Tag beschlossen wir, dass dies nicht unsere letzte Alpentour gewesen sein sollte.


Fazit:

Mein erster Alpenurlaub hat alle Erwartungen erfüllt. Wir hatten bis auf einen einzigen Tag traumhaftes Wetter. Wir sind ohne Pannen und Stürze ausgekommen und haben alle Touren gut überstanden. Die Eindrücke aus Alpe d'Huez werde ich so schnell sicher auch nicht vergessen. Zwar sind wir nicht bis zum Col d'Izoard im Süden gekommen, aber dafür haben wir den Klassiker schlechthin den Col du Galibier bezwungen. Und die Pässe südlich davon, werde ich mir in einer der nächsten Jahre vornehmen.

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