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Transalp Genf - Nizza vom 13.07.11 - 20.07.11

    Planung der Tour

    Tag1 (Col des Aravis, Col des Saisies)

    Tag2 (Cormet de Roselend, Col de l'Iseran)

    Tag3 (Col du Télégraphe, Col du Galibier)

    Tag4 (Col d'Izoard, Col de Vars, Le Sauze)

    Tag5 (Col d'Allos, Col de Champs, Teilanstieg Col de la Cayolle)

    Tag6 (Schlußanstieg Col de la Cayolle, Col de la Bonette)

    Tag7 (Col St. Martin, Col de Turini)

    Fazit


Planung der Tour


Ich beginne meinen Bericht diesmal mit der Vorbereitung auf diesen Urlaub. So eine Transalp benötigt eben ein wenig mehr Planung als ein "normaler" Radurlaub. Wen dies nicht interessiert, sollte den folgenden Abschnitt daher überspringen. Die Planung, welcher bei mir immer besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, begann bereits Ende letzten Jahres. Vorfreude ist schließlich die schönste Freude. Zunächst wurden die Anstiege ausgewählt, die ich auf jeden Fall fahren wollte, und daraus eine Strecke geplant.


Dann wurde versucht, das ganze in sinnvolle Tagesetappen zu gliedern und dabei günstige Etappenorte zu finden, in denen man auch problemlos Unterkünfte findet. Schließlich musste noch die geeignete Zeit gefunden werden, dabei war vor allem die Tour de France zu beachten. Außerdem legte ich den einzig geplanten Ruhetag auf Sonntag. Zum einem um dem evtl. verstärkten Wochenendverkehr aus dem Weg zu gehen. Zum anderen um nicht am Sonntag irgendwo in Niemandsland unterwegs zu sein und nirgends die Möglichkeit zu haben, Essen und Trinken zu kaufen. Last but not least, musste die Frage nach dem Rücktransport geklärt werden. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten, TGV, Mietwagen, Flieger. Mietwagen lohnt sich bei einer Person nicht. Beim Flieger hat man das Problem mit dem Radkoffer/Karton, blieb also nur der TGV. Wer wie ich früh bucht (ab 3 Monate vor Fahrt werden die Kontingente freigeschaltet) kommt auch noch günstig an Tickets. Ich habe 53,-- Euro für die Strecke Genf - Nizza bezahlt, dazu kommen 10 Euro für die Reservierung des Radplatzes und 10 Euro Bearbeitungsgebühr. Der Radplatz ist nicht online buchbar und muss zusammen mit dem normalen Ticket über das SNCF-Büro in Köln gebucht werden. Da es nur wenige Plätze gibt, sollte man schnell buchen. Den Versuch über die im Internet angegebene Telefonnummer jemanden zu erreichen, kann man sich sparen. Ich hab nach 60 Minuten Warteschleife aufgegeben. Besser man schreibt Sie über das Kontaktformular an, dann erhält man schnell ein Angebot.


Zum Schluss stellte sich noch die Frage, wo parken? Da es in Genf keine kostenlosen Parkplätze gibt, wählte ich als Startort Annemasse. Dort gibt’s am Friedhof einen großen kostenlosen Parkplatz. Damit war die Streckenplanung abgeschlossen. Bleibt noch die Frage was kommt mit. Es gibt im Netz unzählige Packlisten. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er mitnimmt. Es ist eben immer eine Abwägung, wie wahrscheinlich brauche ich einen Gegenstand, was würde es bedeuten, ihn im Notfall nicht dabei zu haben und natürlich, was wiegt er. Meine Packliste ist hier veröffentlicht. Als Kartenmaterial habe ich die Michelinkarten Regional, Blatt 357 und 358 dabeigehabt. Um aber selten auf die Karte schauen zu müssen, hatte ich pro Tag ein Din-A4-Blatt in Klarsichtfolie in der Lenkertasche verstaut und damit schnell erreichbar.

Darauf war auf der Vorderseite das Etappenprofil, die Höhenprofile der Pässe eine kurze Wegbeschreibung der Etappe und auf der Rückseite ein aus viamichelin.de kopierter Kartenausschnitt. Und nicht zuletzt hatte ich die letzten Monate auch versucht, meine längst verschollen geglaubten Französisch-Kenntnisse auszupolieren. Soviel zur Planung.


Übersicht


1. Tag (Col des Aravis, Col des Saisies)


Der Tag begann um 3:50 Uhr. Ich frühstückte schnell, packte die letzten Sachen ins Auto und machte mich um 4:45 Uhr auf den Weg nach Annemasse. Bis auf einen kleinen Stau bei Bern, kam ich gut voran und war so bereits um 9:30 Uhr in Annemasse. Schnell fand ich den Friedhof und fand dort auch einen Parkplatz. Die Wetterprognosen sahen für den ersten Tag katastrophal aus. Von starken Regenschauern bis Gewitter war alles vorhanden. Ich hatte mir daher schon im Vorfeld die Zugverbindungen angeschaut. Von Annemasse hätte ich bis Sallanches den Zug nehmen können und so nur noch 55 km und einen Pass vor mir gehabt. Da es in Annemasse aber trocken war, beschloss ich mein Glück auf der geplanten Strecke zu versuchen. Ich war noch keine 5 Minuten unterwegs, da öffnete der Himmel seine Schleusen und sollte sie so schnell auch nicht wieder schließen. Aber irgendwie war mir das ziemlich egal. Nach monatelanger Planung und Vorfreude war ich endlich unterwegs nach Nizza!

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Mein Weggefährte in den nächsten 8 Tagen. Dazu gab es noch einen Vaude-Rucksack mit 25 l Stauvolumen

Zunächst ging es leicht bergauf nach Bonne und mir wurde trotz des inzwischen starken Regens warm. Es folgte ein leicht abfallendes Stück nach Bonneville. Auf diesem Streckenabschnitt war Vorsicht geboten, der Straßenbelag war vor allem am Straßenrand sehr schlecht und durch das viele Wasser auf der Strasse war es schwer die Unebenheiten rechtzeitig zu erkennen. Trotzdem erreichte ich ohne Probleme Bonneville. Dort fuhr ich zunächst in die falsche Richtung, merkte es aber schnell und kehrte um. Gute Entscheidung, nicht nur dass ich wieder auf dem richtigen Weg war. es wurde in dieser Richtung auch wieder heller am Himmel. Vielleicht sollte ich ja Glück haben und es würde irgendwann wieder aufhören zu regnen. Und so war es denn auch. Kurz nach Bonneville beginnt der Anstieg zum Col des Aravis und es wurde trocken. Der Anstieg verläuft schön und nur mäßig steil an der Borne entlang. Ich war jetzt bestens gelaunt, froh endlich im Urlaub zu sein, summte ich ein Lied vor mir her.

Anstieg Aravis.jp
Kurz nach Bonneville. Blick zurück auf der noch nassen Strasse während des Anstieges zum Col des Aravis

Es folgte ein kurzes Flachstück ehe es vor St. Jean de Sixt wieder steiler wurde. Kurz davor machte ich in einem kleinen Bushaltestellen-Häuschen eine kleine Pause und aß etwas. Danach ging es weiter. Es wurde wieder dunkler und leider nahm auch der Verkehr etwas zu. Kurz vor Clusaz war es dann soweit, es regnete wieder. Dafür ließ der Verkehr, je weiter man sich von La Clusaz entfernte, mehr und mehr nach. Die Straße wurde jetzt deutlich steiler und ich spürte erstmals meine Beine. Auch der Regen nahm noch einmal deutlich zu. Kurz vor dem Gipfel erkannte ich den Unterschlupf, an dem ich zusammen mit Patrick vor 5 Jahren vor dem Regen Schutz suchte. Damals war es nur ein kurzer Schauer. Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Ich war heute schon länger im Regen gefahren, als wir damals im gesamten Urlaub überhaupt Regen gesehen hatten. Während die Strasse bislang eher gerade das Tal hinauf verlief, leiteten nun Serpentinen den letzten Kilometer ein. Und plötzlich wurde ich auch von heftigem Wind begrüßt. Das ganze wurde so schlimm, dass ich mich auf gerader Strecke nach rechts legen musste, um nicht umgeworfen zu werden. In den Serpentinen kam er kurzzeitig von vorne und ich fiel fast um, weil ich nur noch 5 km/h auf dem Tacho hatte. Ich überlegte deshalb sogar, auszuklicken. Dann kam Gott sei Dank die Passhöhe in Sicht. Oben angekommen suchte ich erstmal Schutz im Gipfelrestaurant und gönnte mir eine heiße Schokolade und aß noch etwas. Bei diesem Wind konnte ich unmöglich abfahren.

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Blick aus dem Gipfelrestaurant am Col des Aravis. Übelster Wind und Regen ohne Ende

Es dauerte etwa 30 Minuten bis ich das Gefühl hatte, der Wind würde nachlassen. Ich zog so ziemlich alles an, was ich dabei hatte. Leider war nicht alles trocken, der Regenüberzug meiner Satteltasche war wohl nicht 100% wasserdicht. Die folgende Abfahrt war dann auch die Hölle. Der Wind hatte zwar in der Tat nachgelassen zupfte aber trotzdem beständig an meiner Windjacke und meinem Rucksack. Außerdem war mir schweinekalt und ich fing an zu zittern, was meine Fahrt auch nicht stabiler machte. Zudem griffen die Bremsen bei der Nässe kaum. Da außerdem etliche Serpentinen zu überwinden waren, war ich eigentlich nur am Bremsen. Und das ganze Wasser das über die Strasse lief, machte es unglaublich schwer, die Unebenheiten des Straßenbelages zu erkennen. Ich war Gott froh, als kurz vor Flumet ein kurzer Gegenanstieg folgte und die Abfahrt kurz danach ganz vorüber war. In Flumet angekommen, wählte ich die westlich verlaufende Alternativroute zum Col des Saisies, weil diese abwechslungsreicher sein sollte. Meine Schuhe waren trotz der Regenüberschuhe inzwischen so nass, dass jede Pedalumdrehung eher einem Wassertreten gleich kam. Immerhin wurde es mir durch die Steigung und die daraus resultierende Anstrengungen wieder warm. Ich wechselte schnell das Trikot und fuhr weiter. Der Anstieg ist in der Tat sehr abwechslungsreich zu fahren, nur leider war von der Landschaft gar nichts zu sehen. Je mehr ich mich nun der Passhöhe näherte, desto windiger wurde es wieder. Es war zwar bei weitem nicht so schlimm wie am Col des Aravis, aber schlimm genug um mich langsam auszukühlen. Oben angekommen zog ich mich wieder um, aß noch mal etwas und musste feststellen, dass mein HAC5 nicht wasserdicht war. Na toll, mein alter billiger Sigma, hatte die bisherige 3 Stunden Regenfahrt ohne Murren überstanden, während in meinem teuren HAC5 sich so langsam das Wasser sammelte. Hoffentlich würde er es überleben, ich fahre ungern ohne Puls und Trittfrequenz-Daten. Das ganze war umso ärgerlicher, weil in meiner Packliste eine Frühstückstüte und Gummis zum befestigen als Regenschutz für den Tacho aufgeführt sind und ich diese auch dabei hatte. Tja, die beste Packliste ist halt nichts wert, wenn man die Sachen nicht benutzt.

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Auf der Passhöhe des Col des Saisies. Bei strömendem Regen alleine unterwegs.

Auf der Abfahrt dann das Gleiche wie am Pass zuvor, nur dass ich noch mehr zitterte. Ich war über jedes kleine Flachstück froh, in dem ich durch Mittreten den Puls wieder etwas noch oben treiben konnte. Nach einer endlos erscheinenden Abfahrt erreichte ich dann ziemlich durchnässt und durchgefroren endlich Beaufort und fand auch gleich das Hotel du Grand Mont. Dies und das letzte Hotel in Nizza hatte ich bereits vorreserviert und war an diesem Tag auch sehr froh, nicht noch auf die Suche gehen zu müssen. Nach ca. 100 km und 2100 hm endete damit meine erste Etappe um 15:45 Uhr. Ich stellte mich erstmal für 20 Minuten unter die heiße Dusche. Dort hörte ich dann auch irgendwann wieder auf zu zittern. Ich wusch meine Klamotten, kaufte eine Kleinigkeit ein und machte noch ein kleines Nickerchen. Danach legte ich mein Rad ein wenig trocken, ölte die Kette neu, schaute ein wenig Tour de France und ging um 20:00 Uhr zum Abendessen. Abends telefonierte ich noch mit Eva und erfuhr, dass es zumindest morgen früh auch noch regnen sollte. Aber egal, der erste Tag war überstanden und schlimmer sollte es wohl nicht mehr werden. Dachte ich damals jedenfalls, so kann man sich täuschen. Um kurz vor 10 Uhr fiel ich müde ins Bett und schlief auch sofort ein.

Übersicht


2. Tag (Cormet de Roselend, Col de l'Iseran)


Ich hatte gut geschlafen und wachte um 6:30 Uhr auf. Eine halbe Stunde später saß ich bereits am Frühstückstisch. Es dauerte allerdings bis 7:30 Uhr bis alles fertig war. Dafür war die Auswahl für französische Verhältnisse gut. Es gab ein wenig Müsli, Wurst, Käse und Joghurt und natürlich Baguette und Croissants. Ich hatte nicht wirklich viel Hunger und da ich vom Start weg bergauf fahren musste, hielt ich mich entsprechend zurück. Um kurz nach 8:30 Uhr saß ich bereits auf dem Rad. Für das Zimmer einschl. Frühstück und Abendessen hatte ich übrigens 80 Euro bezahlt. Für meinen Geschmack ein bisschen viel für ein Zimmer dessen Bad/WC aus einer eingebaute Campingdusche bestand. Aber Beaufort bietet auch nicht wirklich viel Auswahl was Hotels betrifft. Es war morgens zwar bewölkt aber trocken. Als erster Anstieg stand der Col du Pré auf dem Programm. Ich wählte diese Alternative zum Cormet de Roselend, weil man von dort angeblich einen schönen Blick auf den Stausee Barage de Roselend hätte. Der Anstieg war anfangs noch angenehm zu fahren, wurde aber nach oben hin immer steiler. Unterwegs traf ich drei Franzosen mit denen ich kurz plauderte, sie schon bald aber hinter mir ließ. Je höher ich dem Gipfel kam, desto nebeliger wurde es. Irgendwann bildeten sich kleine Wassertröpfchen auf meinem Unterarm. Ansonsten gab es aufgrund des Wetters nicht viel zu sehen. Dafür war der Anstieg sehr abwechslungsreich zu fahren und mit vielen Serpentinen gespickt. Als Abfahrt kann ich ihn aber nicht empfehlen. Im unteren Bereich hat der Asphalt viele tiefe Risse. Ab und zu bildete ich mir ein, die Sonne würde den Kampf mit dem Nebel gewinnen. Leider täuschte ich mich. Ganz im Gegenteil es fing wieder an zu regnen. So machte ich oben angekommen keine Pause sondern fuhr gleich weiter ohne weitere Klamotten anzuziehen. Das sollte ein Fehler sein. Die Abfahrt zum Stausee war zwar nur kurz. Es reichte aber aus, um mich komplett auszukühlen. Leider war es immer noch so neblig, dass ich den Stausee wirklich erst kurz zuvor und auch nur teilweise erkennen konnte.

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Fast schon gespenstig. Die Straße ins nichts vorbei am Stausee Lac de Roselend

Bei schönem Wetter hätte man von oben sicher einen wunderschönen Blick gehabt. Es folgten noch ein kurzer Anstieg und eine kurze Abfahrt, ehe es weiter bergauf zum Cormet de Roselend ging. Die 400 noch fehlenden Höhenmeter waren schnell geschafft und nicht mehr so steil wie am Col du Pré. Glücklicherweise war es oben nicht so windig wie tags zuvor und es hatte inzwischen auch wieder aufgehört zu regnen. Dafür gab es auch kein Restaurant. Ich aß eine Kleinigkeit und gönnte mir dann alles an Klamotten was ich dabei hatte. Die Abfahrt wusste anfangs zu gefallen. Ein guter Belag und weite Kurven, so wie es mir gefällt. Später mussten etliche Serpentinen überwunden werden. Zum Schluss dann wieder weite Kurven und eine rasante Fahrt. Diesmal war mir glücklicherweise nicht ganz so kalt. Das lag eventuell auch daran, dass ich erstmals in diesem Urlaub auch die Sonne so richtig zu sehen bekam. In Bourg St. Maurice angekommen, ließ ich die Klamotten trotzdem an und fuhr mich auf leicht ansteigender Straße bis Seez erstmal wieder so richtig warm. Dort wechselte ich dann wieder auf Sommeroutfit. Kurze Zeit später das erste Schild Col de l'Iseran - 43 km. Da musste ich dann erstmal schlucken, ich musste jetzt wohl mit 2-3 Stunden bergauf fahren rechnen. Zunächst noch fast flach, beginnt 39 km vor dem Gipfel der erste Teilanstieg bis Tignes. Dies stellte mein erstes Ziel dar. Der Anstieg war auch gut zu fahren. Keine wirklich steilen Stücke ließen mich gut vorankommen. Auch der Verkehr war sehr überschaubar, zwar deutlich mehr als am Col du Pré, an dem ich fast alleine unterwegs war, aber noch lange nicht störend. Nach ca. der Hälfte dieser Strecke, meldete mein Magen langsam Hunger und auch meine Wasservorräte gingen zu Ende. Kurze Zeit später erblickte ich aber glücklicherweise die Staumauer des Lac du Chevril und freute mich auf eine Pause.

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Endlich besseres Wetter. Blick vom Lac du Chevril bei Tignes in Richtung Passhöhe des Col de l'Iseran

Ich bog rechts nach Tignes ab und wollte dort meine Wasserflaschen füllen. Tignes scheint im Sommer aber ausgestorben zu sein. Ein Autofahrer gab mir den Tipp, es auf der anderen Talseite zu versuchen. Dort fand ich aber auch kein Wasser. Dafür in einem Garten eine campende Familie. „Hilft jetzt alles nichts, die müssen dran glauben“ dachte ich mir. Ich setzte also ein mitleidiges Gesicht auf und fragte höflich, ob sie mir meine Wasserflaschen füllen könnten. Es waren Engländer und sie boten mir zunächst Wein und später auch noch an, mich mit an den Tisch zu setzen, sie hätten gute Sandwichs. Ich muss gestehen, so kurz hab ich tatsächlich überlegt mich dazuzusetzen. Aber noch hatte ich selbst etwas zu essen dabei und so wirklich lange Pause machen wollte ich auch nicht, der Weg war noch weit. So nahm ich dankend das Wasser an, fuhr zurück zum Stausee und machte dort eine kurze Pause. Auf dem folgenden fast flachen Stück nach Val d'Isère kam ich zwar gut voran, ich spürte jedoch in den Beinen bereits deutlich die vielen Höhenmeter des Tages. Nach Val d'Isère dann die nächsten 16 km bis zum Gipfel wieder mit ca. 6 %. Hier war jetzt fast nichts mehr los. Da inzwischen auch die Sonne immer mehr die Oberhand gewann, kam erstmals in diesem Urlaub die Sonnencreme zum Einsatz. Die Straße zieht sich in diesem Bereich eher langweilig das Tal nach oben. Später musste ich dann die ersten Serpentinen überwinden. Ca. 4km vor dem Gipfel erreichte ich in der letzten Rechtskehre einen Aussichtspunkt. Man muss zwar sein Rad ca.50 Meter nach links über einen Schotterweg schieben, aber es lohnt sich. Leider verschleierten mir tief hängende Wolken ein wenig die Aussicht. Trotzdem lohnte sich der kurze Marsch. Bei wolkenlosem Himmel muss es hier oben traumhaft sein.

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Die Berge im Kampf mit den Wolken. An der Aussichtsplattform 4 km vor dem Gipfel des höchsten Alpenpasses

Ich gönnte mir noch ein Riegel und ein Gel und ging die letzte Kilometer an. Es dauerte nicht lange und ich erreichte den Scheitelpunkt des höchsten Alpenpasses. Leider zog wieder Nebel auf und daher hielt sich die Aussicht in Grenzen. Ich verzichtete daher auf eine lange Pause und zog wieder sämtliche Klamotten an, ehe ich mich in die Abfahrt stürzte. Diese wusste anfangs trotz des holprigen Straßenbelages zu gefallen. Ab Bonneval-sur-Arc flachte die Strasse dann fast komplett ab. Hier begrüßte mich dann heftiger Gegenwind. Mit einem gefühlten Puls von 160 (genaue Werte hatte ich keine mehr, mein HAC5 hatte aufgrund des Wasserschadens endgültig seinen Geist aufgegeben) schaffte ich keine 25 km/h mehr. Ich überlegte ernsthaft auf einer Abfahrt anzuhalten und mir noch ein Gel reinzuziehen. Ich hätte kotzen können und hätte am liebsten angehalten und mein Rad in den Straßengraben geschmissen. Es gibt halt nichts schlimmeres, als auf einem Streckenabschnitt, den man eigentlich zur Erholung eingeplant hatte, plötzlich an seine Grenzen gehen zu müssen.

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Auf den letzten Metern der Abfahrt vom Col de l'Iseran. Blick auf Bonneval sur Arc

Nach einiger Zeit überholte mich ein anderer Radler. Ich ließ in ziehen, ich fuhr eh nur noch im Delirium und hatte Mühe mich zu konzentrieren. Ein paar Sekunden später wurde mir klar, wie blöd das war. Wenn ich jetzt etwas brauchen konnte, dann Windschatten. Also mobilisierte ich meine letzten Energiereserven und schloss die Lücke wieder. Danach über mehrere Minuten dasselbe Spiel. Immer wieder ließ ich eine kleine Lücke klaffen um sie postwendend wieder zu schließen. Mein Kopf schien einfach nicht mehr bereit, den Beinen dauerhaft zu befehlen, Druck auszuüben. Trotzdem half mir der Windschatten weiter. Leider bog der Radler kurze Zeit später in einen Parkplatz ab, ich schaffte es gerade noch ein leises Merci über meine Lippen zu pressen. Doch kurz danach hatte ich es geschafft. Noch ein ganz kurzer, aber in Anbetracht meiner Verfassung harter Anstieg zum Col de la Madeleine und dann ein schnelle kurvenreiche Abfahrt nach Lanslevillard. Nach 120 km und 3500 hm war ich um kurz vor 17:00 Uhr endlich am Ziel. Ich kaufte schnell etwas zu Essen und Trinken und buchte über das Tourismusbüro ein Chambre d'hotes. Danach the same procedure as every day. Duschen und Klamotten auswaschen. Dabei stellte ich fest, dass ich einen Handschuh verloren hatte. Aber was solls, Karstadt Sport wird sich freuen, kauf ich wenigstens mal wieder was anstatt das Personal von der Arbeit abzuhalten. Ich machte noch ein Nickerchen und ging um 20:30 Uhr Essen. Es gab Kartoffelgratin und ein kleines Radler für 6 Euro (wohlgemerkt nur für das Bier!). Bevor ich ins Bett ging, kam noch der Franzbranntwein zum Einsatz. Meine Beine fühlten sich alles andere als gut an. Und auch mein Ruhepuls zeigte deutlich: Das war heute ein wenig zu viel des Guten. Bereits hier fasste ich den Entschluss, auf den Col d'Agnel in zwei Tagen zu verzichten. Deutlich mehr als 3000 hm wollte ich mir nicht noch einmal antun.

Übersicht


3. Tag (Col du Télégraphe, Col du Galibier)


Der nächste Tag begann um 6:45 Uhr. Ich hatte schlecht geschlafen und immer noch einen erhöhten Ruhepuls. Aber heute stand ja glücklicherweise eine eher leichte Etappe auf dem Programm. Um 7:30 Uhr saß ich beim Frühstück. Es gab zwar weder Wurst noch Käse aber sonst war es ok. Für das Zimmer im Hotel Le Manujo zahlte ich einschl. Frühstück 24 Euro, ein echtes Schnäppchen also. Um 8:45 Uhr saß ich bereits auf dem Rad. Meine Klamotten waren zwar noch klamm, aber Gott sei Dank trocknen sie buchstäblich in Windeseile am Körper. Es schien heute ein richtig schöner Tag zu werden, jedenfalls begrüßte mich morgens schon die Sonne. Mein Weg führte mich zunächst weiter talabwärts. Der Gegenwind vom Vortag war immer noch vorhanden. Ab Modane wurde es dann aber besser. Den kurzen Gegenanstieg davor bemerkte ich kaum. Bald danach erreichte ich St. Jean de Maurienne und der Anstieg zum Col du Télégraph begann.

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Auf der Abfahrt vom Col de l'Iseran kurz vor Modane. Blick auf das Fort Redoute Marie-Thérèse

Anfangs noch in der Sonne, erreichte ich schon bald den schattenspendenden Wald. Trotzdem floss der Schweiß bereits hier. Der Telegraph ist zwar sozusagen nur die Vorspeise für den Col du Galibier, aber 12 km mit über 7% im Schnitt wollen erstmal überwunden werden. Irgendwie erinnerten mich die ersten Meter an Alpe d'Huez. Denn auch am Telegraph darf man bereits von unten einen Blick nach oben werfen. Hoch über einem thront das Fort du Telegraph, das nur unweit der Passhöhe liegt und ihm seinen Namen gab. Ich fand einen guten Tritt und überholte überraschender Weise viele andere Radler. Es waren ohnehin weitaus mehr Radler unterwegs, als in den Tagen zuvor; motorisierter Verkehr war aber auch hier eher selten anzutreffen. Bald hatte ich die ersten sieben steilen Kilometer geschafft und es wurde ein wenig flacher. Langsam spürte ich auch wieder Hunger, wollte aber unbedingt erst oben Pause machen. Also hieß es durchhalten. Am letzten Kilometer zog die Steigung dann noch mal an. Die Straße zog sich jetzt fast schnurgerade den Berg nach oben und die Passhöhe war bereits zu sehen.

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Auf den letzten zwei Kilometern am Col de Télégraph. Blick auf das Fort du Télégraph und das Tal der Maurienne

Nach knapp einer Stunde war es dann geschafft. Ich stiefelte noch ein paar Meter den Hügel hinauf und setzte mich dort auf einen der Bänke, genoss die Aussicht und machte eine längere Pause. Später füllte ich am gegenüberliegenden Brunnen noch meine Wasserflaschen und machte mich auf die kurze Abfahrt nach Valloire. Dort war dann mächtig Trubel angesagt. So war ich froh das Dorf schnell wieder verlassen zu können. Direkt nach Valloire durfte ich auf steiler Straße gleich mal wieder die Beine warm fahren. Danach wurde es aber für ca. 3 km fast flach. Auch hier war ich natürlich nicht alleine. Den Galibier umgibt eben einen gewissen Mythos. Und mal abgesehen davon, ist es ein wunderschöner Pass. Die Straße verläuft zunächst links eines Flusses mit gemächlicher Steigung immer weiter das Tal hinauf. Dabei durfte ich quasi alle paar Minuten neue schöne Ausblicke genießen.

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Knapp 2 km vor Plan Lachat während des Anstieges zum Col du Galibier. Die Aussicht wird besser, die Landschaft rauer

Nach ca.7 km wurde es für kurze Zeit deutlich steiler. Dann erreichte ich Plan Lachat, und machte beim ersten von zwei kleinen Gasthäusern kurz vor dem Schlussanstieg noch mal eine kleine Pause. Ich gönnte mir noch mal eine Ladung Sonnencreme und fuhr dann weiter. Nur einige hundert fast flache Meter noch und ich erreichte die berühmte 180° Kehre. Ab jetzt trennten mich noch 8 steile Kilometer mit mehr als 8% im Schnitt vom Gipfel. Zunächst waren einige Serpentinen zu überwinden und ich war wie immer überrascht, wie schnell ich trotz eher langsamer Fahrweise an Höhe gewann. Schon bald war Plan Lachat nur noch ein kleiner Fleck. Immer wieder hielt ich kurz an und schoss Fotos.

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Im schweren Schlußanstieg des Col du Galibier. Blick zurück auf Plan Lachat, im Hintergrund der Col des Rochilles

Etwa 4 km vor dem Gipfel nutze ich eine der kleinen Pausen und zog mir noch ein Gel rein. Ich würde es brauchen, der Pass wird zum Ende hin immer steiler. Kurz danach durfte ich einen ersten Blick auf den atemberaubenden Schlusshang werfen. Vielleicht nicht ganz so spektakulär wir am Stilfser Joch, aber genau so schön.

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Blick auf den atemberaubenden Schlußhang an der Nordrampe des Col du Galibier

Ich erreichte die Tunneleinfahrt, welche ich natürlich rechts liegen ließ und quälte mich den letzten steilen Kilometer zur Passhöhe nach oben. Die Aussicht von hier oben war einfach atemberaubend. Wie schon 5 Jahre zuvor wanderte ich auch diesmal noch rechts der Passhöhe auf den Gipfel. Dort pfiff wieder einmal ganz schön der Wind. Die Panoramatafel bot mir aber genügend Schutz. Ich machte eine längere Pause und genoss die Aussicht. Danach wanderte ich wieder zur Passhöhe zurück und begann bereits beim Abstieg zu frieren. Also wurden wieder reichlich Klamotten angezogen und die Abfahrt nach Briancon in Angriff genommen. Zunächst waren etliche Serpentinen zu überwinden. Trotzdem hatte ich Spaß dabei. Teilweise dufte ich mich an frisch asphaltiertem Straßenbelag erfreuen. Trotzdem war natürlich Vorsicht geboten, Fahrbahnbegrenzungen sucht man hier nämlich vergebens.

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Blick auf den Col du Lautaret während der Abfahrt vom Col du Galibier

Ab dem Col du Lautaret war es dann aber traumhaft. Mit über 60 km/h konnte man es in den weiten Kurven laufen lassen und musste nur ganz selten an der Bremse ziehen. Später wurde es dann flacher, aber diesmal war ich mit dem Gott des Windes in Einklang, er kam von hinten! Auch war weiterhin kaum Verkehr vorhanden, was wohl an der parallel verlaufenden Autobahn lag. So erreichte ich schneller als gedacht nach 110 km, 2400 hm und 4:45 h reiner Fahrtzeit Briancon. Dort durfte ich erst noch mal kräftig in die Pedale treten, ehe ich nach einem kurzen Anstieg Vauban City erreichte. Die Stadt ist ein Teil von Briancon und in eine Festungsanlage integriert. Seit 2008 gehören Teile davon zum UNESCO Weltkulturerbe. Ich buchte mir ein kleines Zimmer mit Etagen-Dusche in einer netten Pension. Im Erdgeschoß hingen Bilder der Gewinner der Tour-Etappen als Briancon Zielankunft war und natürlich lief die "Grand Boucle" auch im Fernsehen. Ich duschte, wusch meine Sachen und schaute mir das Ende der Etappe an. Danach erkundete ich die Stadt. Vauban City war sicher der netteste Etappenort meiner Tour. Der Stadtteil ist komplett in die ehemalige Festigungsanlage integriert und über mehrere große Eingangstore erreichbar. Ansonsten ist er geprägt von kleinen verwinkelten Gassen, vielen architektonischen Sehenswürdigkeiten und nicht zuletzt mit einer teilweisen tollen Aussicht auf das Tal.

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Inmitten der Festungsanlage von Vauban City in Briancon. Weltkulturerbe seit 2008

Später schaute ich noch nach meinen Bremsbelägen. Die ständigen Abfahrten bei Regen hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich hatte natürlich Ersatz dabei, dummerweise aber XT-Beläge von meinem Crossbike! Ich hatte schon blöd geschaut, als ich sie aus meiner Satteltasche zog. Glücklicherweise erfuhr ich im Tourismus-Büro, dass es in Briancon einen Radhändler gab. So hatte sich dieses Problem kurze Zeit später erledigt. Abends gab es noch leckere Lasagne und einen Salat ehe ich mal wieder müde ins Bett fiel.

Übersicht


4. Tag (Col d'Izoard, Col de Vars, Le Sauze)


Am nächsten Morgen wachte ich bereits um 6:15 Uhr auf. Nach einem typischen französischen Frühstück saß ich bereits um 8 Uhr im Sattel. Für das Zimmer in der Pension Remparts bezahlte ich einschl. Frühstück 41,-- Euro. Heute hätte eigentlich eine ziemlich heftige Etappe auf dem Programm gestanden. Aber ich hatte schon 2 Tage zuvor, nach den Strapazen am Iseran entschieden, die Auffahrt zum Col d'Agnel sein zu lassen. Doch mittlerweile war ich mir dessen gar nicht mehr so sicher. Ich war so früh wie noch nie auf dem Rad und durch die eher kurze Etappe am Vortag einigermaßen erholt. Im Radio hatte ich morgens auch noch „I want it all“ von Queen gehört. Wenn das kein Zeichen war. Aber zunächst musste der Col d'Izoard bezwungen werden. Es ging in Briancon direkt erstmal steil los, wurde aber schnell flacher. Nach einigen Serpentinen die ich teilweise im Schatten fahren durfte, wurde es für drei Kilometer fast ganz flach, bzw. sogar leicht abschüssig. Auf diesem ersten Abschnitt war die Strasse mit einem gesonderten Radstreifen ausgestattet. Ich fragte mich allerdings warum. Ich war hier praktisch alleine auf der Strasse unterwegs. Danach wechselte die Richtung und es wurde wieder deutlich steiler. Der gute Straßenbelag und eine tolle Aussicht halfen mir dabei aber.

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Kurz nach dem Refuge Napolépon in den letzten Kehren des Col d'Izoard von der Nordseite

Anschließend musste noch eine lange Gerade überwunden werden, ehe Serpentinen die letzten 5 km einläuteten. So langsam spürte ich meine Beine und ich fragte mich, ob ich auf den Agnel nicht doch lieber verzichten sollte. Die Aussicht wurde nun immer besser. Ca. 3 km vor der Passhöhe durfte ich bereits einen Blick auf die letzten Serpentinen werfen. Die Landschaft wurde langsam rauer und man konnte bereits erahnen, was einen auf der anderen Seite erwartet, die berühmte Casse Déserte. Kurz vor dem Gipfel erreichte ich das Refuge Napoléon. Für die letzten zwei Kilometer wurde es nun wieder etwas flacher, allerdings musste ich nun endgültig auf schützenden Wald verzichten, weshalb der Schweiß weiter kräftig floss. Ein paar Minuten später überquerte ich den Scheitelpunkt und ein fantastisches Panorama baute sich vor mir aus. Es war gerade einmal kurz vor 10 Uhr und ich war wohl einer der Ersten auf der Passhöhe. Der kleine Kiosk hatte noch nicht einmal geöffnet. Ich machte eine längere Pause und entschloss mich endgültig aber schweren Herzens auf den Col d'Agnel zu verzichten. Es sollte die richtige Entscheidung sein. Während ich auf der Passhöhe etwas aß und die Aussicht genoss, kamen nach und nach andere Radler oben an. Der Pass scheint beliebt zu sein, wen wundert’s!

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Erreicht man die Passhöhe des Izoard, baut sich vor einem ein herrliches Panoram auf.

Dann folgte die Abfahrt. Ein toller Straßenbelag, eine abwechslungsreiche Streckenführung mit weiten Kurven aber auch engen Serpentinen und eine atemberaubende Landschaft machten diesen Streckenabschnitt zu einem Highlight. Dann erreichte ich die Casse Déserte, eine mondähnliche Schuttlandschaft mit bizarren Felsformationen. Ständig musste ich anhalten und diese Momente auf Fotos festhalten. Allerdings war auch Vorsicht geboten. Die Straße ist eng und ohne irgendwelche Begrenzungen in den Hang geschlagen. Rechts der Straße geht es teilweise zig Meter steil nach unten.

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Die Casse Déserte an der Südrampe des Col d'Izoard. Eine surreale Landschaft mit bizarren Felsformationen.

Dann öffnete sich das Tal und ich erreichte den Abzweig zum Col d’Agnel. „Keine Chance heute“ dachte ich mir und ließ in links liegen. Die Abfahrt wurde nun deutlich flacher und da ich wieder mal Gegenwind hatte, durfte ich auch fleißig Mittreten. Trotzdem war auch dieser Abschnitt schön zu fahren. Stets wurde man von einer tiefen Schlucht begleitet. Leider glich der Straßenbelag teilweise einer Hoppelpiste. Um ca. 12:00 Uhr erreichte ich Guillestre und machte eine längere Pause in einem Cafe. Dort durfte ich wieder einmal die französische Gastfreundschaft genießen. Mir war bei der Bestellung eines Sandwichs nicht sofort klar, was die verschiedenen Varianten zu bedeuten hatten. Der Kellner verschwand daher kurzerhand im Cafe, nur um kurze Zeit später mit den verschiedenen Wurstsorten in der Hand wieder zu erscheinen und mir die Unterschiede zu erklären! Ich spürte nun doch die Anstrengungen der letzten Tage und beendete eher widerwillig die Pause. Direkt in Guillestre ging es bereits steil in Richtung Col de Vars. Ohne schützenden Schatten war es hier in der Mittagssonne unglaublich heiß. Ich trennte mich von meinem Funktionsshirt und öffnete das Trikot. Erstmals in diesem Urlaub freute ich mich über Gegenwind, verschaffte er mir doch dringend benötigte Kühlung. Der Anstieg wusste trotzdem zu gefallen. Anfangs noch teilweise im Wald, später durchfuhr ich über mehrere Serpentinen saftige grüne Wiesen. Meist in meinem Rücken, schneebedeckte Berge.

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Einige Kilometer vor Sainte Marie auf dem Anstieg zum Col de Vars - Saftig grüne Wiesen und strahlend blauer Himmel.

Trotzdem sehnte ich mich nach dem Flachstück bei Kilometer 8. Immer wieder dachte ich mir, bei der nächsten Kurve ist es geschafft, wurde aber immer wieder enttäuscht. Ich überholte zwei Radler die mindestens so schlecht aussahen, wie ich mich fühlte. Dann endlich das Flachstück, eine kurze Abfahrt und ich erreiche Sainte-Marie. Ich spürte erstmals in meinem Urlaub meine Knie, ein deutliches Zeichen, dass die Muskulatur langsam übermüdet war, aber es konnte nicht mehr weit sein. Ich machte nur eine kurze Pause und fuhr dann weiter. Es wurde nun wieder deutlich steiler, bis Les Claux war es aber noch erträglich. Dort herrschte, im Gegensatz zum sonstigen Anstieg ziemlicher Trubel. Außerdem zog hier die Steigung mächtig an, so dass ich froh war, Les Claux hinter mir zu lassen. Kurze Zeit später erreichte ich einen kleinen See und wäre am liebsten hineingesprungen.

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Die Passhöhe des Col de Vars in Sichtweite und ein verlockender Bergsee in Reichweite.

Die Passhöhe ließ sich nun bereits erahnen und da es wieder etwas flacher wurde, erreichte ich sie bald. Oben traf ich ein Team von Saxo-Bank. Tolle Räder welche die Jungs da fuhren. Aber ich war mit meinem auch zufrieden, hatte es mich doch bislang zuverlässig durch die Alpen geführt. Ich machte eine kurze Pause, zog danach nur meine Windweste über und setzte meine Fahrt fort. Anfangs noch recht steil, wurde es später immer flacher. Natürlich hatte ich auch hier wieder Gegenwind. Nach einiger Zeit zog ich deshalb meine Windjacke aus. Ab nun war wieder mächtig Mittreten angesagt. Langsam ging mir auch das Wasser aus. Aber nicht nur diese Flüssigkeit schien knapp zu werden. Ich hatte einfach keinen Saft mehr in den Beinen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, hörte ich auf zu treten. Teilweise ließ ich es in Unterlenkerhaltung bei 25 km/h einfach nur rollen. Muss von hinten witzig ausgesehen haben!

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Blick ins Tal in Richtung Barcelonnette während der Abfahrt vom Col de Vars

Nach gefühlten Stunden erreichte ich endlich Barcelonnette und war ziemlich fertig. Mein Plan sah eigentlich vor hier 3 Tage zu bleiben. Morgen stand der einzige Ruhetag auf dem Programm und am Tag darauf hätte ich von hier die Rundtour und damit ohne Gepäck über Col d'Allos, Col de Champs und Col de la Cayolle fahren können. Doch Barcelonnette hatte etwas dagegen. Zwar fand ich schnell das Tourismus-Büro, die aber kein Hotel für mich. Es war übers WE wohl irgendeine größere Veranstaltung, tout complet - alles ausgebucht hörte ich ständig. Mir wurde dann ein Hotel in Le Sauze angeboten, wieder ein kurzes Stück das Tal hinauf und dann nach rechts, ca. 4km. „Geht klar“ dachte ich mir, das schaffe ich auch noch. Kurz überlegte ich noch, ob ich nicht erstmal was essen und vor allem trinken sollte. Aber ich wollte nur noch ins Hotel und unter die Dusche. Ich war kaum wieder auf dem Rad, da wurde mir eines klar. Wenn ich in einem Tal nach rechts oder links abbiege, kann es eigentlich nur bergauf gehen. Und so war es denn auch. Am Ende von Barcelonnette ging es rechts für noch mal knapp 5 km bergauf. Es war heiß, ich hatte Durst und keinen Tropfen Wasser mehr in meinen Flaschen. Ich muss wohl nicht erwähnen, wie scheiße ich mich fühlte. Ich versuchte meinen Verstand auszuschalten und einfach immer weiterzukurbeln. Gegen Ende des Anstieges konnte ich Le Sauze schon sehen. Nur noch vier Serpentinen trennten mich nun von meinem Ziel. Als ich endlich oben war und das Hotel Soleil des Neiges, vor mir sah, war ich nur noch glücklich, und natürlich fix und fertig.

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Endlich am Ziel! Das Hotel Soleil des Neiges in Le Sauze, oberhalb von Barcelonnette

Das muss man mir wohl auch angesehen haben. Ich wurde gleich gefragt ob ich etwas trinken möchte und am nächsten Tag, fragte mich die Dame an der Rezeption, ob es mir heute wieder besser gehen würde, ich hätte gestern ziemlich müde ausgesehen! Es war mittlerweile 16:00 Uhr und mein Tacho zeigte für heute 108 km und 2700 hm an. Natürlich war mein erster Gang unter die Dusche. Da am nächsten Tag ein Ruhetag angesagt war, musste ich auch endlich mal keine Klamotten waschen, was ich auch ausnutzte. So wie ich sie am Vortag ausgezogen hatte, lagen sie am nächsten Tag noch immer auf dem Boden :-) Den Ruhetag begann ich um 7:30 Uhr und ein Stunde später saß ich beim Frühstück. Ansonsten machte ich nicht viel. Klamotten waschen, Le Sauze ein wenig erkunden, einkaufen, essen, und schlafen. Das Wetter war an diesem Tag wieder schlechter, nachmittags gingen sogar heftige Regenschauer nieder. Ich beschloss außerdem nicht noch einen Tag in Le Sauze zu bleiben. Die Runde Allos, Champs, Cayolle hat bereits über 3000 hm, danach wieder den Schlussanstieg nach Le Sauze mitzunehmen, traute ich mir auch ohne Gepäck nicht zu. Ich buchte mir daher über das Tourismus-Büro ein Zimmer im Relais de la Cayolle, ein 7 km unterhalb der Passhöhe des Cayolle gelegenes Hotel. Diese Entscheidung sollte ich noch bitter bereuen, aber dazu später mehr. Abends gönnte ich mir noch eine Pizza, auf die hatte ich mich schon den ganzen Tag gefreut.

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